Juli 2019
hin und wieder gibt es sie noch - die typische münsterländische Bauernschänke. Eine der wenigen dieser Gaststätten ist die Höltene Schluse. Nach mehr als 40 Jahre war ich im Mai wieder bei Franz Renfert eingekehrt. Ich hatte ihm zugesagt, eine kleine Geschichte über ihn und seine Gaststätte zu schreiben.
Nun ist er überraschend gestorben. Mein Versprechen halte ich gern.
Ihr Henning Stoffers
Die Gaststätte Höltene Schluse hat ihren Namen von einer nahegelegenen hölzernen Schleuse, die zum Ausgleich von Höhenunterschieden des Kanals erforderlich war. Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte der Abriss der Schleuse.
Die Straße ,Am-Max-Clemens-Kanal' zieht sich von Kinderhaus schnurgerade einige Kilometer in Richtung Vosskotten, ehe das Haus Nr. 303 erreicht wird.
Das unauffällige Bauernhaus verrät vom Äußeren her weder Charme noch Gemütlichkeit. Jedoch beim Betreten des Gastraums wird der Besucher von dem Herdfeuer und den unter den Decken hängenden Schinken in den Bann gezogen. Damit das Fett nicht auf die Besucher träufelt, wurden an den unteren Enden Bierdeckel als Tropfenfänger angebracht - kreativ und praktisch zugleich.
Um das Herdfeuer stehen u-förmig etliche Stühle und Tische. Auch fremde Gäste kommen an diesem Raummittelpunkt schnell miteinander ins Gespräch. Und dies ist von Franz Renfert - allseits bekannt durch seine Originalität - durchaus gewollt.
Im hinteren Bereich des Raumes befindet sich die Biertheke mit dem Zapfhahn, der seit Jahrzehnten angestammter Platz von Franz ist. Er beäugt seine ankommenden Gäste und begrüßt sie auf seine typische, freundliche Art. Gern auch auf platt, wenn er weiß, dass seine Zuhörer ihn verstehen.
Und abends, wenn seine Stammgäste am Herdfeuer sitzen, wird über Gott und die Welt diskutiert. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um die große oder die kleine Politik geht.
Franz hatte zeitweise drei Berufe: Er war Landwirt, Gastwirt und arbeitete beim Hauptzollamt an der Sonnenstraße. Nichts ungewöhnliches, denn ein zweites oder drittes Standbein zum Broterwerb war im ländlichen Raum gang und gäbe.
Franz weiß unendlich viel zu erzählen. Es sei vor mehr als 100 Jahren der Professor Landois in seiner Gaststätte eingekehrt. Dann spricht er über die Birnbäume, die im angrenzenden Bauerngarten stehen. Sie wurden von seinen Ahnen einst aus dem Botanischen Garten ,unentgeltlich entwendet'.
Dieser herrliche naturbelassene Garten lädt in seiner Schlichtheit zum Verweilen ein. Dazu passt die kleine, liebevoll gestaltete Speisekarte aus der münsterländischen Küche. Speckpfannekuchen und Schinkenschnittchen mit Eiern von Hühnern des Hofes sind die gängigen Gerichte. Und das ist gut so.
Vor drei Wochen sah ich Franz das letzte Mal. Ich sagte ihm, er bekäme vor der Veröffentlichung das Geschriebene zu lesen. Zuvor wollte ich mich mit ihm etwas länger unterhalten, um mehr über sein Leben zu erfahren.
Schade, dass das nun nicht mehr möglich ist. Der Tod war schnell und unerwartet. Ein münsterländisches Original ist von uns gegangen.
Guet goan, Franz!
Quellen
Text und Idee: Henning Stoffers
Fotos: Henning Stoffers