Liebe Leserin, lieber Leseer,

mein Tanzschul-Beitrag hat Dr. med. Frank-E. Skrotzki animiert, seine Erinnerungen an Charly Zimmermann aufzuschreiben. Ein ganz klein bisschen Wehmut schwingt in seinen Zeilen mit. Warum auch nicht, es ist eine Zeit, die für die Heranwachse bedeutsam ist.

 

Lassen Sie sich entführen in eine längst vergangene Zeit.

 

Ihr Henning Stoffers


Sic transit gloria mundi!

Was ist noch übrig von der Tanzschule Zimmerman, einer ehemaligen Kulteinrichtung in Münster? Ein Blick ins Internet zeigt: NICHTS (fast)!

 

Wer kannte in den 50ern und 60ern in Münster Charly und seine attraktive Frau nicht? Sicher, es gab auch noch andere renommierte Institute, in denen Jugendlich, wie hier zu sehen Tanz und gesellschaftliche Formgebung beigebracht wurde. 

Brigitte und Charly Zimmermann - Foto: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)
Brigitte und Charly Zimmermann - Foto: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)

Inhaber waren Friedrich Wilhelm Zimmermann und seine sehr attraktive Frau Brigitte.

 

Dorthin zog es viele Jugendliche. Die Schulen organisierten damals noch für die Klassen den Unterricht und meldeten die Willigen an. Auch meine Klasse wurde glücklicherweise in der Neubrückenstraße 52, dem Sitz des “Tanzstudios“, angemeldet. Es war die Zeit, als man in den letzten Jahren vor der Reifeprüfung, oder dem Schulabschluss, einen Tanzkurs machte.  In dieser Werbeschrift wurde u.a. auch darauf hingewiesen, dass „die Kirche den guten  Formen- und Tanzunterricht als Ergänzung ihrer Jugenderziehung“ anerkennt. Ist  das heute noch denkbar? Und dann kam der Abschlussball. Hier ist auch Charly (Bildmitte hinten) zu sehen.

Und so wurde auch ich vom Tanzfieber erfasst, ja schließlich auch meine Eltern, die ebenfalls dort Kurse machten. Das Fieber ergriff auch meine Eltern, die schließlich mit Charly einen Tuniertanzverein „Rot-Gold-Kasino Münster“, oder war es „Blau-Gold“?, besuchten. Ich weiß es nicht mehr. Der Ruf in der Tunierszene war, wie man heute sieht, nicht besonders nachhaltig. Immerhin wurde auch mein Klassenlehrer Mitglied des Vereins.

Für mich bot sich damit die Gelegenheit, nach Trainingsabenden  und Turnieren als 17/18 jähriger mitgenommen zu werden, wenn man noch einen „Absacker“ in der Kronenburg-Bar oder anderen Bars zu sich nahm. Ich war ja schließlich eigentlich noch viel zu jung, wenn auch Frau Zimmermann auch erst 21, aber verheiratet, war.

 

Die Erwachsenen waren befreundet und ich hatte das Glück richtig an das Tanzen herangeführt zu werden, was so weit ging, dass ich samstags oder sonntags ohne Eintritt bezahlen zu müssen, vortanzen durfte, wie das Foto belegt.

Ja, das gab es damals noch: Tanztee, wo man auch zum Abkühlen eine Cola, Wasser oder Ähnliches erwerben konnte. Grundbedingung war natürlich ein gepflegtes Auftreten, schließlich wurde man ja auf das Leben vorbereitet. Wegen des großen Andrangs zur Tanzschule Zimmermann wurde ein größerer Raumbedarf erforderlich und man fand geeignete Räume auf dem Roggenmarkt 10 in der 1. Etage.

Natürlich gab es auch Tanzkärtchen, die einem die gewünschten Mädchen „reservierten“.

Charly war übrigens damals ein in Münster bekannte Maler, von dem man heutzutage nichts mehr weiß oder findet. Damals wurden auf Vernissagen seine Bilder präsentiert, wovon ich hier ein Beispiel zeigen möchte.


Ein Scherenschnitt, den ich damals von meiner Tanzlehrerin geschenkt bekam, macht mich nun noch auf eine kulturhistorische Besonderheit aufmerksam. Auf dem Send in Münster gab es immer wieder eine Attraktion, die staunend oft mit offenem Mund betrachtet wurde. Es war Harry Nolden (1922 – 1998), der mit unglaublichem Geschick und rasender Geschwindigkeit „Profil in 1 Minute“ Scherenschnitte anfertigte. Sein Werk präsentierte er immer nach Fertigstellung und vor dem Aufkleben auf einem weißen Karton, bevor um Bezahlung bat. Hier ein Bild von ihm aus dem Jahr 1957, das mir seine Tochter Brigitte zur Verfügung stellte.

Auf ihrer lesenswerten Webseite über diesen Ausnahmekünstler und seine Vorfahren, www.heinrich-nolden.de,  erwähnt sie unter „Nolden-junior“  auch 1958 den Send in Münster, denn „seine Tournee begann in Münster mit dem Sendmarkt“. Dort muss auch dieser Schnitt entstanden sein. Nolden war aufgrund der Qualität seiner Arbeiten übrigens gern gesehener Gast in, wie es so schön heißt, Funk und Fernsehen.

Ja, und dann gab es noch etwas. Die Junggebliebenen werden sich erinnern. Es war die Zeit Brigitte Bardots, die einen weißen Renault Floride Cabrio mit roten Ledersitzen fuhr. Und genau so ein Auto hatte dann Charlys Frau Brigitte auch. Das war etwas! Ich durfte manchmal mitfahren: was für ein Gefühl!

 

Nun, es ging irgendwie alles zu Ende, genau wie und wann weiß ich nicht mehr.

 

Nichts ist geblieben. Sic transit gloria mundi! Vielleicht erinnern sich einige Rentner, die dies hier lesen ja noch an die schöne Brigitte Zimmermann und ihren Charly.

 

PS

Ich bin mittlerweile ein mieser Tänzer, der auch gerne mal so tut, als ob er leider gerade wegen einer Entzündung im Bein nicht tanzen könne. So kann es schon mal geschehen, dass ich bei einem Fest einen Tischnachbarn bitte, doch deshalb mit meiner Frau zu tanzen.


Quellen

Text: Dr. Frank-E. Skrotzki

Abbildungen, soweit nicht anders benannt: Dr. Frank-E. Skrotzki

Redaktion: Henning Stoffers