Kaiserwetter
Früher war alles besser, na ja, jedenfalls anders.
Staatsbesuche zum Beispiel. Als Kaiser Wilhelm II. vor 100 Jahren einen Besuch in Münster ankündigte, waren hier alle völlig aus dem Häuschen. Blöd nur, dass die Straßen in der Altstadt wie
schäbige Asi-Gassen aussahen. Also wurde erst Mal gebuddelt und gepflastert. Das tollste: Die neu gestaltete Vossgasse. Auf einer Unterbettung aus Zementbeton kam ein Belag aus australischem
Hartholz (Eukalyptus). Der Kaiser selbst hat das leider gar nicht mitgekriegt, denn das piekfeine Pflaster war mit einer dicken Schicht Sand bedeckt worden, damit das Pferd seiner Majestät nicht
ausrutschte.
Neben den zahlreichen Triumphbögen vor allem am Bahnhof und am Servatiiplatz, sollte die Stadt insgesamt aufgehübscht werden.
Für den Festakt wurden 130 000 Reichsmark verpulvert. Allein ein Drittel des Etats verschlang die Beleuchtung der Straßen, insbesondere die Illumination auf dem Domplatz und vor dem Schloss.
Leider waren diesbezüglich aber die ganzen Mühen umsonst, denn kaum dass der Kaiser im Schloss eingetroffen war, „öffnete der Himmel seine Schleusen und gewaltige Regenmassen strömten bis zum
Morgengrauen auf die Feststadt nieder. Einige wenige Flammen, die sich schüchtern hervorwagten, mussten bald vor dem ununterbrochen niederprasselnden Regen erlöschen“, notierten die
„Gemeinde-Angelegenheiten“.
Auch der Berichterstatter aus Berlin, der den Kaiser regelmäßig begleitete, meckerte über den fiesen Regen in Münster: „Gegen Abend setzte ein zweites schreckliches Gewitter ein. Die roten Bezüge
der Beleuchtungskörper auf dem Domplatz färbten die Pfützen unter sich rot. In den abschüssigen Straßen schossen tiefe Gießbäche herab. Die Kutschen, die nach und von dem Schloss fuhren,
spritzten den Schmutz meterweit, und man sah anständige Leute Schuhe und Strümpfe ausziehen, um so durch das Wasser zu waten.“ Außerdem wunderte sich der kaiserliche Schreiberling über das
ausgelassene Partyvolk: „Das vergnügliche Leben Münsters nahm trotz des hässlichen Regens seinen Fortgang in den Wirtschaften. Ein behagliches Leben wogte bis spät in die Nacht. Alles war
vergnügt, und kein Haus ohne Schmuck. Und es regnete unentwegt.“
Von der Kommission für „Ordnung und Spalier“ wurde alles bis ins Detail geplant. Die Oberleitung der Aufstellung hatte der Herr Universitätsturnlehrer Becker, der bereits Wochen vor dem
Kaiserbesuch alle antanzen ließ und genau plante, wer wo zu stehen hatte: Von den 30 Ehrendamen in weißen Kleidern bis zur freiwilligen Feuerwehr.
Wochenlang erschienen Werbeanzeigen in den Tageszeitungen für das, was man für die perfekte Vorbereitung des Kaisertages unbedingt brauchte: Vom Flaschenbier der Germania-Brauerei bis zu
Herrenschlüpfern des Spezial-Geschäftes Carl Pröbsting.
Als der Kaiser nach vier Tagen wieder abreiste, hatten die erzkatholischen Münsteraner den stockprotestantischen Wilhelm II. einfach nur ganz lieb. Ein Zeitzeuge, der damalige Stadtarchivar
Viktor Huyskens, schrieb begeistert: „Wer die via triumphalis betrat, hier am Bahnhofe oder dort an St. Ludgeri, sie durchwanderte und sich auch abwandte in Straßen und Gassen hinein, bewundernd
gestand er: so vermag nur ungeheuchelte Liebe zu planen, zu schaffen, Liebe, die einzig ist in dem Entschlusse, das beste Können zu zeigen.“