Anna Krückmann - Hausfrauenvereins 1915

Am 3. November 1915 musste die Polizei den Prinzipalmarkt sperren, denn Münsters Frauen stürmten das Rathaus. Der Grund: Hedwig Heyl und Anna Krückmann hatten sie eingeladen, den Haufrauen-Verein Münster zu gründen. Rund 1000 Frauen meldeten sich bereits bei dieser Gründungsversammlung an. Überall schlossen sich bereits bestehende örtliche Hausfrauenvereine in Berlin zum „Reichsbund Deutscher Hausfrauen-Vereine“ zusammen.


Es ging vor allem um „die wirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Volksernährung und die Verbesserung der hauswirtschaftlichen Frauenbildung.


Anna Krückmann sollte die erste Vorsitzende des Hausfrauen-Vereins Münster werden, aber da sie evangelisch war, beschlossen die Damen, es müsse zunächst eine Katholikin ran. Doch Anna Krückmann punktete mit Herzlichkeit und Durchsetzungsvermögen. Schließlich war den Frauen ihre Religionszugehörigkeit wurscht und sie überließen ihr die Leitung ihres Vereins.


Anna Krückmann soll sich bis zu ihrem Lebensende darüber amüsiert haben, dass ihr ganz selbstverständlich jedes Jahr zum Namenstag gratuliert wurde.


Hedwig Heyl stammte aus Bremen und gilt als wichtige Vorkämpferin für die Rechte der Frau. Sie selbst war keine typische Hausfrau jener Jahre, denn nach dem Tod ihres Mannes leitete Hedwig Heyl für mehrere Jahre seine Fabrik. Hier errichtete sie erste soziale Einrichtungen. 1885 gründete sie die erste Haushaltsschule in Berlin.


Anna Krückmann  wurde in Rostock geboren und war 1902 mit ihrem Mann Professor Paul Krückmann nach Münster gekommen. Unter ihrer Leitung entwickelte sich der Hausfrauenverein in Münster sehr schnell. Bereits ein Jahr nach der Gründung hatte er über 3000 Mitglieder. Die Beratungsstelle richteten sich die Frauen im Odendahlschen Haus, neben Cafe Schucan ein. Dort  wurden Vorträge gehalten, es fanden Budgetberatungen für Hausfrauen statt, es gab Kurse zum Kochen, Backen, Handarbeiten, Plätten, Putzen, Schneidern, Servieren und zur Wäschepflege. Im ersten Weltkrieg ging es den Frauen vor allem darum, wie man mit den immer knapper werdenden Lebensmitteln über die Runden kam. Dabei wurden sie immer erfinderischer: Über die Verwendung von Magermilch und Klippfisch bis zur Abfallverwertung. Anna Krückmann war ein Organisationstalent. Sie hatte zahlreiche Kontakte zu Behörden, zur Landwirtschaftskammer, zu Innungen und zur Kaufmannschaft. So ergatterte sie immer wieder mal Obst, Kaffee und Schokolade zu erschwinglichen Preisen.


Nach dem ersten Weltkrieg, während der Inflation, richtete Anna Krückmann den ersten „Second-Hand-Shop“, die „Brockenkammer“ im Krameramtshaus ein.
Auch als Stadtverordnete kümmerte sie sich besonders um soziale Themen. Sie setzte sich für Arbeitsbeschaffungsmassnahmen ein, sorgte für zwei Milchstuben und für Münsters erstes Toilettenhäuschen!


Sehr beliebt war die münstersche Hausfrauenzeitung, die Anna Krückmann ab 1925 herausgab. Mit Themen wie „Alles für die Hausfrau“ oder „Der neuzeitliche Haushalt“. Im selben Jahr gelang es dem Hausfrauenbund eine in ganz Deutschland verbindliche Meisterprüfungsordnung für Hauswirtschaft durchzusetzen.


Gleichzeitig entstand in Berlin die “Praktisch-Wissenschaftliche Versuchstelle für Hauswirtschaft“. In dieser Einrichtung wurden hauswirtschaftliche Kurse abgehalten. Außerdem wurden hier Haushaltsgeräte untersucht und aufwändig geprüft. Eine Art hauswirtschaftlicher TÜV. War alles okay, strahlte eine Sonne auf dem Gerät, denn die Sonne war das Prüfzeichen der Versuchsstelle und ist bis heute das Logo des Deutschen Hausfrauenbundes.


Zurück zu Anna Krückmann: Auch als die Lage sich in den 1920er Jahren allmählich normalisierte, pflegte sie weiter ihre Kontakte. So bekam sie von dem Kaufmann Theodor Althoff ein Jagdhaus an der Werse geschenkt. Dort konnten in den folgenden Jahren viele Mütter mit ihren Kindern einfach mal ausspannen.


Damit war Schluss, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. 1936 wurde Anna Krückmann „nahe gelegt“ den Hausfrauenverein aufzulösen, sonst fände eine zwangsweise Einordnung in die NS-Frauenschaft und Auflösung des Vermögens statt. Bis 1946 stellte der Verein seine Arbeit ein. Zumindest offiziell. Denn die Frauen trafen sich im Hause Krückmann weiter. Getarnt als „Kaffeeklatsch“.


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Anna Krückmann gebeten, den Hausfrauenverein neu zu gründen. Sie lehnte das aus gesundheitlichen Gründen ab. Aber sie unterstützte die Frauen bei ihrer Arbeit bis sie 1955 im Alter von 87 Jahren starb. Noch 1951 schrieb sie: „Ich hörte immer wieder, welches Interesse die Hausfrauenzeitung bei unseren Hausfrauen fand. Ja, dass sogar Ehemänner sie mit besonderer Freude lasen.“
Bereits 1946 – auf Bundesebene erst 1949 – wurde in Münster der Hausfrauenbund unter dem Namen „Hauswirtschaftliche Vereinigung Münster“ wieder neu gegründet. Die erste Vorsitzende wurde Frau Unckell. Die wollte dem Verein ein bisschen umkrempeln und so kam es auch, dass die zweite Vorsitzende ein Mann war! Ein Herr Hettwer von der Gewerkschaft.


Heute - 95 Jahre nach seiner Gründung - leitet Astrid Holtkamp den Verband in Münster.
Der Deutsche Hausfrauenbund die wichtigste Vertretung für die Belange der Hausfrauen. Der Bund kümmert sich nicht nur um das gesellschaftliche Ansehen der Hausfrauen, sondern auch um den kompletten Ausbildungsgang “Hauswirtschaft“. Außerdem fordert der Bund nachdrücklich die partnerschaftliche Teilung der Hausarbeit.
Und da die Bezeichnung „Hausfrau“ trutschig nach Kittelschürze und Marmorkuchen klingt, heißt der Hausfrauenbund nun „DHB - Netzwerk Haushalt, Berufsverband der Haushaltsführenden“. Das soll auch klarmachen, dass Hausarbeit ein Beruf ist und zudem geschlechtsneutral, also nicht mehr nur Frauensache. In einigen Städten ist der DHB auch längst von Männern unterwandert. „Aber hier in Münster“, sagt Astrid Holtkamp schmunzelnd „hat sich seit 60 Jahren keiner mehr zu uns getraut“.