April 2021
bis vor wenigen Tagen, war mir nicht bekannt, dass es an der Schleuse ein Trockendock gegeben hat. Das ändern sich ganz schnell, als mich Hermann Aurich aus Zehdenick (Landkreis Oberhavel) darüber aufklärte. Schnell war vereinbart, dass er ein Beitrag darüber schreibt.
Für seinen sachkundigen Aufsatz danke ich Hermann Aurich sehr herzlich.
Ihr Henning Stoffers
Im Nordosten von Münster, dort, wo der Schienenweg nach Hamburg den Dortmund-Ems-Kanal kreuzt, haben Generationen verkehrstechnischer Bauwerke ihren Platz gefunden. Es begann mit dem Bau der Eisenbahn. Als am 1. September 1871, vor fast genau 150 Jahren, der erste Zug zwischen Münster und Osnabrück fuhr, verlief die Trasse der zunächst eingleisigen Bahn noch, wie mit dem Lineal gezogen, über freies Feld.
Das änderte sich mit dem Bau des Dortmund-Ems-Kanals, der an dieser Stelle die vorhandene Bahnlinie kreuzen sollte. Unmittelbar südlich der neu zu bauenden Eisenbahnbrücke war die Errichtung einer Schleuse vorgesehen, deren Bau 1895 begann. In den Jahren bis 1898 entstand eine 67 m lange und 8,6 m breite Schleusenkammer mit zwei Stemmtoren. Schon vor der offiziellen Eröffnung des Kanals (mit Kaiser Wilhelm II.) am 11.August 1899 hatte Ende April/Anfang Mai ein Schiff zum ersten Mal die Strecke von Emden bis Dortmund zurückgelegt.
In den folgenden Jahrzehnten wurden Schleuse und Bahnbrücke immer wieder den Anforderungen des zunehmenden Verkehrs angepasst und durch Neubauten ersetzt. Die erste Schleusenkammer erhielt in der Zeit vom Dezember 2004 bis zum Februar 2009 eine Nachfolgerin durch einen Neubau mit den Abmessungen 190 m x 12,5 m.
Bereits 1912/1913 war eine zweite Schleusenkammer mit den Abmessungen 165 m x 10 m hinzugekommen, die am Oberhaupt ein Klapptor und am Unterhaupt ein Stemmtor aufwies. Auch diese Kammer wurde inzwischen (März 2009 bis April 2014) durch einen Neubau ersetzt.
In den Jahren 1919 bis 1926 war eine dritte Kammer mit den Abmessungen 223 m x 12 m, eine so genannte Schleppzugschleuse, gebaut worden. Alle bis 1926 entstandenen Kammern waren jeweils beiderseits flankierend mit so genannten Sparbecken versehen worden.
Diese nahmen bei den Schleusungsvorgängen einen Teil der abgelassenen Wassermenge auf, um sie für die nächste Füllung wieder zu verwenden. Erst die beiden jüngsten Kammern arbeiten im Zwillingsbetrieb und ersetzen so gegenseitig die Sparbecken.
Während Schleuse und Brücke(n) immer wieder erneuert wurden, ist eine weitere, auf diesem Areal vorhanden gewesene technische Einrichtung spurlos verschwunden: das Trockendock. Es war - nach dem gleichartigen Bauwerk in Oppeln an der oberen Oder (heute Opole) - das zweitälteste im deutschen Binnenland und eins von nur fünf Trockendocks mit deutscher Vergangenheit, die für die Binnenschifffahrt gebaut wurden.
Ein Trockendock besteht aus einer dreiseitig geschlossenen Kammer (mit den Abmessungen einer entsprechenden Schleusenkammer), einem Tor auf der vierten Seite zur Verbindung mit dem Wasserweg sowie den erforderlichen Einrichtungen zur Befüllung und Entleerung der Kammer.
Trockendocks dienen dem Neubau, dem Umbau bzw. der Reparatur von Schiffen. Ein Schiff kann schwimmend durch das Tor in die wassergefüllte Kammer eingebracht werden und setzt sich nach dem Schließen des Tors beim Ablassen des Wassers auf verstellbare Böcke, die so genannten Pallen, ab, so dass auch auf der Unterseite des Schiffs gearbeitet werden kann.
Um das Wasser ohne Pumparbeit aus der Kammer ablassen zu können, wird ein binnenländisches Trockendock meist mit einer Staustufe und einer Schleuse gekoppelt. So wurde auch das Trockendock Münster aus dem Oberwasser gespeist und in das Unterwasser entleert.
Trockendocks waren zuerst in England, später auch in Frankreich verbreitet. In beiden Ländern war schon frühzeitig ein umfangreiches Kanalnetz entstanden. Als der Kanalbau später auch in Deutschland Fahrt aufnahm, hatten sich bereits leistungsfähige Werftstandorte an den großen Flüssen entwickelt. Diese Werften hatten mit stark schwankenden Wasserständen zu tun und arbeiteten deshalb mit Hellingen und nicht mit Trockendocks.
So kam es denn auch dazu, dass erst unmittelbar nach der Kanalisierung der oberen Oder im Jahr 1896 der Bau eines Trockendocks in Oppeln in Angriff genommen wurde. Münster folgte diesem Vorbild 1898/1899. Diese beide Docks entstanden unter der Regie der preußischen Wasserstraßenverwaltung. Die nächsten (und letzten) drei wurden von privaten Unternehmen gebaut: 1909/1910 Zehdenick (an der Havel), 1912 Osterode (heute Ostròda, am Drewenzsee), 1941 bis 1946 Fürstenberg/Oder (heute Eisenhüttenstadt, am Oder-Spree-Kanal). In Betrieb sind heute noch die Trockendocks in Zehdenick und in Ostròda.
Vielleicht lässt sich auch noch in Erfahrung bringen, wann das Trockendock Münster stillgelegt und zurückgebaut wurde. Denkbar ist, dass sich die Nachfrage mehr und mehr den leistungsfähigeren Werften zuwandte, die personell und technisch besser ausgestattet waren als das eher kärglich eingerichtete Dock. An seinem Platz erhebt sich heute eine kleine Baumgruppe. Unter deren Blätterdach verstecken sich vielleicht noch ein paar Reste des Mauerwerks.
Man könnte darüber nachdenken, ob uns die Erinnerung an die damalige Ingenieurleistung heute eine Info-Tafel wert ist.
Mein Dank geht an
Gisela Franke für die Bereitstellung der Luftbildaufnahme
und an Hermann Aurich für das Manuskript.
Quellen
Text: Hermann Aurich
Redaktion: Henning Stoffers
Abbildungen soweit nicht anders angegeben:
Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv