im März 2021
Folker Flasse schickte mir seinen Beitrag über die Geschichte des münsterschen Karnevals. Er regierte als Karnevalsprinz Folker I. in der Session 1988/1989. So war es für ihn auch naheliegend, sich mit der Historie des Karnevals zu beschäftigen.
Seinen interessanten Beitrag veröffentliche ich gern an dieser Stelle.
Ihr Henning Stoffers
Erstmalig wird im Jahr 1345 von der münsterischen Fastnacht* und einem Umzug berichtet. Wann regierte aber der erste Prinz Karneval in Münster über sein närrisches Volk?
Diese Frage lässt sich kaum genau beantworten. Im Mittelalter war die Zentralfigur für die Zunftgemeinschaften und Gilden, die das Treiben zur Fastnachtszeit bestimmten, zunächst gar kein Mensch sondern eine Strohpuppe, wie wir sie heute noch in der Form des " Morio" kennen.
Im 16. Jahrhundert liest man Bezeichnungen wie Doctor, Geck oder Narr. Aus Nürnberg hört man den Titel Junker Carneval. Die Symbolfigur des Faschings wird bei den Straßenlustbarkeiten und Umzügen dieser Zeit bereits durch eine besonders humorvolle, geistreiche aber auch nicht ganz ernstzunehmende Person (daher kommt ja auch die Bezeichnung närrisch, Narr = Tor) dargestellt. Parallel dazu kennt man bei den Fürstenhöfen die Hofnarren oder Harlekine***, die für sich in Anspruch nehmen können, offen die Wahrheit sagen zu dürfen. Würde dasselbe ein öffentlich Bediensteter tun, so konnte es ihm den Kopf kosten.
Unter dem Titel "Das römische Carneval" erschien Ende des 18. Jahrhunderts ein Reisebericht aus der Feder Goethes, in dem er u.a. den Carnevals-Corso in Rom mit dem König Carneval als Hauptfigur beschreibt. Aus dem Jahr 1824 ist eine Zeichnung aus Köln erhalten, die die Person des "Helden Carneval" in den Mittelpunkt des närrischen Geschehens stellt. Er ist bereits mit allen Insignien eines weltlichen Herrschers (Krone, Zepter) abgebildet und soll durch den „Glanz seiner Erscheinung die Feste verschönern und seine närrischen Untertanen durch Orden, Bonbons und Blumensträuße erfreuen“.
Im farbenfrohen Karneval von New Orleans kennt man seit Mitte des 19. Jahrhunderts den Rex (lateinisch: König)
In einem Lied aus dieser Zeit heißt es u.a.:
,Prinz Geck zog einst von Land zu Land.
Wo er ein freundlich Städtchen fand......
Er kam nach Münster an der Aa....
Hier bleib' ich; diese Stadt ist wert,
Daß sie mein lust'ger Thron beehrt.'
Die Meldie dieses alten Liedes ist nicht bekannt.
Zunächst ist in Münster der Anführer im Fasching noch eine imaginäre Figur, die in Liedern besungen und Aufrufen herausgestellt wird. Er wird als Prinz Carneval bezeichnet, ist aber noch keine reale Person.
Dann, in Programmheften aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und vielen frühen Liedern und Zeichnungen der ältesten münsterischen Karnevalsgesellschaft "Freudenthal" werden "Prinz Geck", "Prinz Fortunat", "Prinz Carneval" und "Prinzessin Vineta" gefeiert. Sie werden dann wirkliche Personen. So ist es eine Tatsache, daß Münster im bürgerlichen Karneval des vorigen Jahrhunderts auch eine Prinzessin kennt.
In der Geschichte des münsterischen Karnevals gebührt besonders der 1859 gegründeten "Kaufmännischen Gesellschaft Union e.V." große Verdienste um das heimatliche Brauchtum. Sie engagierte sich natürlich auch im Karneval und inspirierte beispielsweise den Karnevalszug 1875 und den im Jahr 1896 unter Prinz Christian Kortmann (häufig auch Prinz Christel genannt). Die Union trat zur Karnevalszeit unter der Bezeichnung "No-i-nu" auf. "No-i-nu" ist dasselbe wie "Union", nur rückwärts gelesen. Die „No-i-nu“ wurde 1862 für närrisch-carnevalistische Zwecke gegründet. Der letzte Präsident der "Union" / „No-i-nu“ war der Kaufmann Gerhard Koberg, Vater des Prinzen Max I. (1934).
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges stellte die "No-i-nu" die meisten Prinzen Karneval. Einige Prinzen, z. B. Werner Maintz**, wurden von dem „Verein der münsterischen Carnevals-Freunde“ gestellt. Prinz Carl I. (Dülberg), der im Jahr 1900 regierte, war Mitglied der KG „Schweine-Schinken-Schützen“.
Ab 1896 haben die Freunde des Prinzen und dann alle ehemaligen Prinzen mit dem amtierenden immer einen Freundeskreis gebildet, und so ist es richtig, daß die Prinzengarde sich mit ihrer Tradition auf das Jahr 1896 bezieht. Damals wurde der Prinz im Rosenmontagszug von einer Ehrengarde in Form eines Radfahrervereins begleitet, später war die Prinzengarde im Rosenmontagszug zeitweise beritten.
Eine Prinzessin hatten die Gründer der Garde nicht vorgesehen. Sie war damals eine Männergesellschaft, wie viele andere neu gegründete Vereine auch. Als häufige, aber nicht stichhaltige Begründung wird gesagt, daß der Prinz der närrische Nachfolger der münsterschen Fürstbischöfe sei, die auch nicht verheiratet gewesen seien. Es hat aber Versuche gegeben, dem Prinzen eine Prinzessin an die Seite zu stellen. So erwählte sich Prinz Pincus (Müller) im Jahr 1930 aus der Karnevalsgemeinde „Die Wiedertäufer“ eine Prinzessin.
Die Ehefrauen, Lebensgefährtinnen oder Freundinnen der Prinzen nehmen aber bei allen Festen eine herausragende Stellung ein. Sie tragen keine Kostüme sondern entsprechende festliche Kleidung. Verballhornt wird von der Ehefrau der Prinzen häufig als „Tollitute“ (von Tollität) gesprochen.
Der Begriff "Prinzengarde" wird erst nach 1934 benutzt. So heißt es beispielsweise in einem Zeitungsbericht vom 12. Februar 1939: "Der weite Saal und alle Lauben der Stadthalle waren überfüllt von einem festlich geputzten und erwartungsfrohen Narrenvolk, als sich unter dem Geschmetter der Fanfaren der Einmarsch der Prinzengarde mit Prinz Georg I. vollzog." (Anmerkung: An diesem Abend - 11. 2.1939 - wurde der neue Prinz Kurt I. für die Session 1939 überhaupt erst proklamiert!)
Die Prinzen (nicht Stadtprinz sondern „Seine Tollität Prinz …“) werden von der Prinzengarde für ein Jahr gewählt. Kandidaten sind fröhliche, dem Karneval zugetane Männer. Oft haben sie sich bereits in anderen Karnevalsgesellschaften in närrischen Führungspositionen bewährt. Der jeweilige Prinz muß einstimmig gewählt werden.
Die Prinzengarde hat zwei große Niedergänge überlebt: Den Ersten Weltkrieg mit der sich anschließenden Armut, der Inflation und der großen Arbeitslosigkeit und den Zweiten Weltkrieg mit der völligen Zerstörung Deutschlands.
Das Jahr 1939 war gerade acht Monate alt, als das karnevalistische Brauchtum durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges wiederum jäh unterbrochen wurde. Es dauerte nach dem Zusammenbruch Deutschlands vier Jahre bis sich erste Unentwegte zusammenfanden, um die Prinzentradition in den Trümmern wieder aufleben zu lassen. Für die Prinzengarde gilt ein besonderer Dank unserem Mäcki Reuter, der 1949 das Narrenzepter wieder in die Hand nahm und es über die Stadt Münster schwang, die die ersten Zeichen des Wiederaufbaus gesetzt hatte. Sein Orden trug in Anlehnung an den Westfälischen Frieden den Wahlspruch: "Pax Optima Rerum".
Die Prinzengarde begleitet den Prinzen bei all seinen Auftritten. Dabei nehmen meist ein bis drei ehemalige Prinzen oder gelegentlich auch prinzlicher Nachwuchs die Aufgaben der Adjutanten wahr.
Aus ihrer Mitte wählt die Garde eine Art "Vorstand": an der Spitze steht der sogenannte Generalprinzmarschall (Geprima). Neben ihm agieren der Planungsmarschall und der Hofmarschall. Letzterer ist für die finanziellen Fragen zuständig.
Als sichtbares Zeichen der nunmehr 125-jährigen Tradition wird jedem neuen Prinz bei seiner Ernennung das prinzliche Zepter überreicht, das Christian Kortmann bereits auf einem Foto im Jahr 1896 in Händen hält. An Aschermittwoch muß er es jedoch an den Generalprinzmarschall zusammen mit den anderen Insignien zurückgeben.
Mit dem 125-jährigen Jubiläum der Prinzengarde wird auch der Rosenmontagszug der Neuzeit in Münster 125 Jahre alt, obwohl er zahlreiche Unterbrechungen durch Kriege, Notzeiten und Sturm erfahren hat. Es war die "No-i-nu", die mit diesem Zug im Jahr der ersten Olympischen Spiele 1896 altmünsterisches Brauchtum in organisatorische Formen goß und zu neuem Leben erweckt hatte.
Bedingt durch den Verlust vieler Aufzeichnungen und Chroniken während des Zweiten Weltkrieges sind bei der Rekonstruktion der Übersicht über die Karnevalsprinzen der Stadt Münster sowohl durch die Prinzengarde selbst als auch durch den Chronisten Walter Werland ("Karneval in Münster - Helau! Hurra!") Fehler gemacht worden, die bei den alljährlich erscheinenden Übersichten immer wiederholt wurden. Bei der Durchsicht der Chroniken der Gesellschaft "Die Wiedertäufer am Buddenturm" konnten durch die damaligen Prinzen eigenhändig gezeichnete Dokumente gefunden werden, die die Übersichten korrigieren.
In den Jahren 1898 und 1899 war der Rosenmontagszug nach einem tödlichen Unfall in Verbindung mit dem Kabel einer Straßenlaterne verboten worden. So wurde auch kein Prinz ernannt. Die Jahre von 1901 bis 1908 können zur Zeit noch nicht präzise mit den Namen der Prinzen belegt werden. Im Buch von Walter Werland "Münster - so wie es war" heißt es auf Seite 24: "Das Amt des Prinzen hatten u. a. Wilhelm Baltzer und Ludwig Brinkmann inne." Da keine Jahreszahlen angegeben sind, lassen sich Wilhelm Baltzer und Ludwig Brinkmann leider noch nicht zuordnen. Für das Jahr 1904 findet sich im Stadtarchiv ein Prinz mit dem Namen Werner Maintz* vom „Verein der Carnevals-Freunde“. In den Jahren 1901 bis 1908 wird in Zeitungsberichten mehrfach vom Prinzen Carneval gesprochen. Die Namen werden aber nicht genannt. So selbstverständlich war wohl die Persönlichkeit.
Seit ca. 20 Jahren wird die Prinzengarde durch einen Förderverein unterstützt.
Der närrische Nachwuchs hat vor ca. 25 Jahren die Ämter des Jugendprinzen und einer Jugendprinzessin geschaffen, die von der Jugendprinzengarde umgeben sind.
1896 Prinz Christel (Christian Kortmann)
1897 Prinz Heinrich (Heinrich Sax)
1898 kein Rosenmontagszug und kein Prinz
1899 Kein Rosenmontagszug und kein Prinz
1900 Prinz Carl I. (Carl Dülberg)
1901 Wichtige Daten von 1901 bis 1908 sind verlorengegangen
1902
1903
1904 Prinz Werner (Werner Maintz*)
1905 (Ludwig Brinkmann)
1906 (Wilhelm Baltzer)
1907 (Jahre noch nicht bekannt)
1908
1909 Prinz Franz (Franz Falger)
1910 Prinz Carl II. (Carl Raape)
1911 Prinz Walter (Walter Huster)
1912 Prinz Franz II. (Franz Wördemann)
1913 Prinz August (August Lördemann)
1914 Prinz Bernhard (Bernhard Böckmann)
1915 – 1929:
Während des Ersten Weltkrieges ruhte das Amt. In der Nachkriegszeit, der Zeit der Inflation aber auch in den sog. Goldenen Zwanzigern bleibt der öffentliche Karneval durch den Preußischen Innenminister und den Regierungspräsidenten in Münster verboten. Die Polizei muß jeden Versuch verhindern, daß die 1923 "erlassene preußische Verordnung über die Einschränkung von Vergnügen" durch Hinaustragen karnevalistischer Veranstaltungen auf die Straße durchbrochen wird.
1930 Prinz Pincus (Carl - Pincus - Müller) (mit „c“)
1931 Prinz Pinkus (Carl - Pinkus - Müller) (nun mit „k“)
1932 Prinz Pinkus (Carl - Pinkus - Müller)
1933 kein Prinz Den Festakt auf dem Sentenzbogen richtet die
‚Große Karnevalsgesellschaft Buddenturm‘ aus.
1934 Prinz Max I. (Max Koberg)
1935 Prinz Johann-Heinrich I. (Johann-Heinrich Löfken)
1936 Prinz Helmut I. (Helmut Mindermann)
1937 Prinz Ludger I. (Ludger Falger)
1938 Prinz Georg I. (Georg Steingass)
1939 Prinz Kurt I. (Kurt Glock)
1949 Prinz Max II. von Friedonesien (Mäcki Reuter)
* In Münster wurde bis zum Zweiten Weltkrieg gleichwertig sowohl von Karneval als auch Fastnacht oder Fasching gesprochen.
**Ihm wurde der „Carnevalsmarsch 1910“ gewidmet, der sich im Stadtarchiv befindet.
*** Vergleich auch zu Kasperle Theater.
06. 03. 2021
© Folker Flasse, Prinz Karneval 1988/89, Präsident der FK „Die Wiedertäufer am Buddenturm“ (1982 – 1988), Prinzlicher und Königlicher Hofsprecher, Chronist, Knabbelordenträger der NvZ, Ritter Urgestein der FK „Die Wiedertäufer am Buddenturm“, Dr. h.c.
Quellen
Text und Abildungen: Folker Flasse
Redaktion: Henning Stoffers