Liebe Leserin, lieber Leser,

es gibt Menschen, mit denen wir selten, regelmäßig oder auch sehr oft nahen Kontakt haben, denen wir von uns erzählen und voller Vertrauen vielleicht auch Intimstes preisgeben. Dagegen wissen wir von diesen Personen - es sind unsere Ärztinnen und Ärzte - meist nur wenig Persönliches.

 

Meine Hausärztin Dr. Veronika Engelbertz von Eiff ist für ein Gespräch über sich und ihr Leben gern bereit. Was sie von sich erzählt, zeigt einen Menschen, der seinen richtigen Weg gefunden hat.

 

Ihr Henning Stoffers


Dr. Veronika Engelbertz von Eiff - Im Einklang mit Familie + Beruf

Elternhaus, Kindheit und Schule

Veronika wird 1969 in Wuppertal geboren. Ihre Schwester ist ein Jahr jünger. Der Vater Paul Friedrich Engelbertz ist Arzt und bei Veronikas Geburt bereits 45 Jahre alt. Die 13 Jahre jüngere Mutter Edeltraut arbeitet zunächst als Richterin und später als Familientherapeutin.

Veronika (rechts) mit Vater und Schwester Christiane
Veronika (rechts) mit Vater und Schwester Christiane

Veronikas Eltern sind bei ihrer Geburt bereits relativ alt. Der Vater wird zudem aufgrund seines Berufes zeitlich stark gefordert. Diesen Umstand hat Veronika nie als negativ empfunden.

 

Die Familie hat eine tiefe religiöse Ausrichtung im katholischen Glauben, die sich auch auf Veronika überträgt. Aber mit den Jahren verliert sie die enge religiöse Bindung. Veronika steht in etlichen Punkten der Kirche kritisch gegenüber. Insbesondere sind die untergeordnete Rolle der Frau in der Kirche und das hierarchische System zu nennen.

Veronika besucht in Wuppertal das ,Erzbischöfliche St. Anna Gymnasium' und macht dort ihr Abitur.

 

Die Zeit der Weichenstellung für das künftige Leben ist gekommen. Veronika fragt sich, ob der medizinische Beruf und der Wunsch nach Familie miteinander im Einklang stehen können. Eine Verwandte, die selbst Ärztin ist, sagt ihr, dass ein Beruf geplant werden kann. Der Wunsch nach einem Partner und nach Kindern ist dagegen nicht planbar. Deswegen solle sie das Planbare tun, und das andere würde sich ergeben ...oder vielleicht auch nicht.

Studienjahre

Bei der ZVS (Zentrale Vergabestelle für Studienplätze) möchte sich Veronika mit den Studienfächern BWL und Medizin anmelden. Kurz vor Abgabe des Formulars überlegt sie es sich noch einmal und setzt die Medizin an die erste Stelle. Der gewünschte Studienort ist Münster, denn dort wohnt ihre verwitwete Großmutter mütterlicherseits.

 

Bereits Ende der 1980er Jahre herrscht in Münster Wohnungsnot. Nachts um 3 Uhr wird eine frischgedruckte Zeitung gekauft. Nach hastiger Durchsicht der Wohnungsangebote werden Mutter und Veronika noch in der Nacht bei einem Wohnungsvermieter vorstellig. Mit Erfolg, denn eine kleine Wohnung kann in Kinderhaus gemietet werden.

Veronika vor den Niagarafällen
Veronika vor den Niagarafällen

Es folgen Jahre des Lernens. Aber auch etliche Kontakte werden in dieser Zeit geknüpft. Veronika engagiert sich beim Deutschen Famulantenaustausch, der die internationalen Begegnungen von Studenten organisiert. Sie betreut ausländische Studenten und nimmt an internationalen Treffen teil, wie zum Beispiel in  Ägypten, Mazedonien und Griechenland. Eine sechswöchige Famulatur leistet Veronika in Kanada ab.

In dieser Zeit stirbt die inzwischen hinfällig gewordene münstersche Großmutter. Veronika erfährt von ihrem Tod in Kanada. Trotz ihrer religiösen Distanz besucht sie eine katholische Kirche, um ihrer Großmutter zu gedenken. Hier umfängt sie das tiefe Gefühl, dort zu sein, wo sie hingehört und aufgehoben ist.

 

Zum Studentenleben gehört natürlich der Besuch der Kneipenszene im Kuhviertel, wie zum Beispiel der Destille, des Blauen Hauses oder der Cavete. Neben den Treffen mit Mitstudierenden ist für Veronika insbesondere der enge Freundeskreis in Nienberge wichtig. Und dann sind außerdem die bekannten Medizinerpartys zu nennen, die monatlich stattfinden. Aber die Zeit dafür ist knapp, da das Studium mit wenig Freiraum verbunden ist.

Das ,Praktische Jahr' in Dänemark

Im Rahmen ihres ,Praktischen Jahres' geht Veronika für ein dreiviertel Jahr nach Dänemark. Sie lernt die dänische Sprache, damit diese Zeit für ihre Ausbildung anerkannt wird.

 

Veronika ist von der Kultur und dem Miteinander der Dänen beeindruckt. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist gelebte Alltäglichkeit. Es fehlt das hierarchische System, das in Deutschland üblich ist. Professoren, Studenten und Krankenschwestern duzen sich. Ganz selbstverständlich üben Frauen mit Kindern ihren Beruf aus. Wie sehr die Menschen in ihrer deutschen Heimat in ihrem konservativen Rollenverhalten gefangen sind, wird Veronika bei ihrem Aufenthalt in Dänemark bewusst.

 

Dieses nunmehr 30 Jahre zurückliegende Erleben hat Veronika beeinflusst und geprägt. - Ihr Examen macht sie 1995 in Münster.

Familie und Beruf

Foto: Henning Stoffers
Foto: Henning Stoffers

Nach mehreren auswärtigen Stationen kommt Veronika zurück nach Münster und macht ihren Facharzt. Sie heiratet den Mediziner Christof von Eiff. Beide kennen sich schon viele Jahre aus dem Nienberger Freundeskreis. Sie bekommen drei Kinder.

 

Christof stammt aus einer tradionell klassischen Familie, in der es nicht selbstverständlich ist, dass Frauen einem Beruf nachgehen. Sein Vater ist Medizinprofessor. Die Mutter und Veronikas Schwägerinnen haben studiert, sind aber zuhause geblieben. Ein vielleicht etwas süffisanter Spruch macht die Runde: ,Mit Examen bügelt es sich besser.'

 

Veronika arbeitet in ihrem medizinischen Beruf - zunächst mit reduzierter Stundenzahl - weiter. Für die Kinder ist hauptsächlich sie zuständig. 2018 übernimmt sie im Ortskern von Kinderhaus eine hausärztliche-internistische Praxis. Sie ist angekommen,  ...der Spagat zwischen Familie und Beruf ist gelungen.

Fragen + Antworten

Wie viele Stunden hat Ihre Arbeitswoche?

50, 60 Stunden werden es sein. Zeitintensiv sind die Patienten-Hausbesuche .

 

Wie finden Sie Entspannung nach einem langen Tag?

Da gibte es viele Aktivitäten. Ich fahre sehr gerne Fahrrad, oder ich laufe und höre dabei ein Hörbuch. Und abends stehe ich am Herd... (lacht). Beim Schnippeln von Bohnen oder Schälen von Kartoffeln lasse ich den Tag Revue passieren - das ist auch eine Form der Entspannung.

 

Ihr Vater war ebenfalls Arzt. Üben Sie Ihre Tätigkeit anders aus als er?

Im Prinzip nein. Wie mein Vater lege ich Wert auf das persönliche Gespräch mit den Patienten und auch auf Hausbesuche. Aber vieles hat sich im Laufe der Jahre geändert, leider auch der zugenommene Umfang des Schreibkrams.

 

Berührt Sie das Schicksal einzelner Menschen?

Ja, sehr. Da sind Menschen, deren medizinische Schicksale mich betroffen machen. Ich erlebe Menschen, die das Leben hart mitgenommen hat. Sie erzählen von dem Verlust von Angehörigen, von einer traumatischen Flucht aus der Heimat; sie erzählen von dem, was sie an Leid und Elend auf ihren Schultern tragen müssen.

 

Ihr liebstes Hobby?

Es sind viele Interessen und Dinge: das Wandern durch die Natur, aushäusig zu sein, ein Kinobesuch, dänische Konversation oder Singen im Chor. Aber für all dieses habe ich wenig Zeit.

 

Ihr Lieblingsbuch?

Ich habe kein richtiges Lieblingsbuch. Aber ich lese gern skandinavische Krimis oder auch Familienromane.

 

Verraten Sie Ihre Lieblingsmusik?

Da gibt es einiges zu nennen: von Rockpop bis David Garret - von Udo Jürgens bis Abba.

Foto: Henning Stoffers
Foto: Henning Stoffers

Wie sehr hat Sie die Corona-Pandemie gefordert?

Alle Arztpraxen sind intensiv gefordert. Es gibt immer wieder in kurzen Intervallen neue Gesetze und Änderungen der Abläufe. Manchmal erfahren wir diese Änderungen aus der Presse und werden quasi überrumpelt. Dann gibt es viel Informations- und Aufklärungsbedarf. Das Impfen mit all seinen Ausprägungen fordert meine Mitarbeiterinnen und mich. - Hautnah erlebe ich die Diskussionen über den Sinn und Unsinn des Impfens. Ich beobachte, wie sehr sich einige Menschen verrennen und sich guten Argumenten verschließen.

 

Ihr Lieblingsort in Münster?

Da ist zunächst die Blüte der Japanischen Kirsche in der Schulstraße zu nennen. Dann liebe ich den Fahrradweg an der Werse und den Spazierweg über die Gasselstiege zum Vorberghügel nach Nienberge. Besonders gern besuche ich den Wochenmarkt am Domplatz. Zwischen den Marktständen zu flanieren, steigert mein Wohlgefühl.

 

Was wünschen Sie sich von der katholischen Kirche?

Das ist ganz einfach: Man möge endlich die Gleichberechtigung  der Geschlechter herbeiführen und bestehende Hierarchien reduzieren.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

Ich habe mehrere Wünsche:
- Weniger Spaltung unserer Gesellschaft, die sich momentan verstärkt

- Erhaltung unserer Erde

- Abbau der Kluft zwischen Arm und Reich. Das gilt auch für die Bezahlung von Arzt und Pfleger

 

Möchten Sie zu guter Letzt etwas sagen, was ich nicht gefragt habe?

Ich weiß, dass ich mich für den richtigen Weg entschieden habe. Immer wieder würde ich es genauso machen. Für mich war die Arbeit mit Behinderten des Stifts Tilbeck medizinisch und menschlich sehr wertvoll und prägend. Es sind Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen.

Ein Nachwort

Dr. Veronika Engelbertz von Eiff trägt auf ihre Weise dazu bei, dass die in vielen Köpfen verankerten Rollenklischees überwunden werden. Als Hausärztin in einem Stadtgebiet mit Menschen aus vielen unterschiedlichen Kulturkreisen hat sie Einblick in deren familiären Verhältnisse. So erfährt sie immer wieder, wie groß die Defizite bei der Gleichstellung der Geschlechter sind.

 

Ich habe Veronika als engagierte, positiv denkende Frau kennengelernt. Für sich und ihre Angehörigen hat sie den richtigen Weg des Gleichklangs zwischen Familie und Beruf gefunden.


Quellen

Text und Idee: Henning Stoffers

Abbildungen, wenn nicht anders angegeben: Dr. Veronika Engelbertz von Eiff