Liebe Leserin, lieber Leser,

das Thema ,Corona' ist derzeit ein alles beherrschendes Thema. Aus diesem Anlass hat Norbert Nientiedt seine Gedanken, Gefühle und sein Erleben aufgeschrieben. Seine Beiträge, die zum Nachdenken anregen,  veröffentliche ich gern an dieser Stelle.

Zu den 4 Themenbereichen:

Corona 1: Abstand ist Fürsorge

Corona 2: Heilig Kreuz

Corona 3: Die Gier

Corona 4: Coronabegegnung am Lambertibrunnen

 

Ihr Henning Stoffers


ABSTAND ist der aktuelle Ausdruck von FÜRSORGE

Zitat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel 18.3.2020

 

In den Nachrichten höre ich beim Frühstück, dass unsere Bundeskanzlerin heute Abend - zum ersten Mal in ihrer langen Amtszeit - eine außerordentliche Ansprache an die Nation richten wird. Bei allem, was ich heute tue und denke, schleicht sich die Neugierde auf ihre Ansprache mit ein. In der Zeitung lese ich, dass es „Corona-Partys“ gibt und Menschen auf den Grünflächen am Aasee in großen Gruppen grillen, dass die Geschäfte geschlossen werden und viele Mitbürger jetzt in Enschede einkaufen, dass nach wie vor Kindergeburtstage im Freien und in enger Gemeinschaft gefeiert werden. Ich lese auch, dass in Italien nunmehr mehr Tote zu beklagen sind als im 20fach größeren China, wo die Pandemie ihren Anfang fand.

 

Mit dem Gedanken, dass das doch unsere Politiker zwingen wird - wie in Belgien, Italien und Spanien - Ausgangssperren zu verordnen, steige ich auf meine Leeze, um das einzukaufen, was wir zur Selbstversorgung benötigen. Meine Frau backt für uns und unsere Kinder seit langem Brot. Ich habe gelesen, dass das nur wenige noch machen und dann sehe ich das Regal, wo immer das Mehl gut sortiert und in großen Mengen stand. Gähnende Leere! Mit den Nudeln verhält es sich ebenso: mein Weg führt nun zum Regal mit dem Toilettenpapier: Keine einzige Rolle schaut mich an. Der freundliche Angestellte sagt: “Gestern kam eine riesige Lieferung, dann habe ich einen Fehler gemacht und mich umgedreht, da war alles weg.“ Alle anderen Artikel sind wie immer ausreichend vorhanden. Ich versuche, das zu verstehen aber es gelingt mir nicht im Ansatz. Ich kaufe jetzt Küchenrollen und werde diese zuhause dritteln, wenn mir das gelingt. Trotz des sich breit machenden „Hamsterverhaltens“ bemerke ich noch etwas anderes.

 

Im Supermarkt fällt mir auf, dass die Menschen um Abstand bemüht sind und irgendwie alle freundlicher sind, als ich es sonst wahrnehme. Häufig kann man hören, dass sich Menschen anders, als üblich verabschieden: “Bleib gesund“! Hört man sehr oft. Die positiven Veränderungen, die ich plötzlich immer mehr entdecke, setzen sich nahtlos fort. Es schellt an unserer Haustür, und der junge Mann aus dem ersten Stockwerk will heute kein Päckchen bei uns abholen wie sonst so oft: “Wir haben sie immer als hilfsbereit wahrgenommen“ sagt er und bietet dann seine Hilfe an, wenn wir irgendetwas benötigen sollten oder ein Botengang anstehen würde.

 

Im TV sehe ich, dass Menschen sich über soziale Netzwerke verabreden und abendlich auf ihren Balkonen für all die neuen Helden des „Coronaalltags“, für die Kassiererinnen an den Supermarktkassen, den Ärzten und dem Pflegepersonal, den Fahrern der Paketdienste usw. applaudieren und Dankeslieder singen. Ich versuche die negativen Eindrücke vom Vormittag und die positiven der letzten Stunden zu reflektieren. Es gibt kein klares Bild, bis ich mein eigenes Verhalten reflektiere und deutlich Optimierungsmöglichkeiten entdecke. Jetzt werde ich erst einmal meine Hände gründlich waschen und dann unserer Bundeskanzlerin zuhören.

 

Ich spüre sofort und auch ohne ihre Aussage, dass es seit dem 2. Weltkrieg noch nie so ernst war wie sehr sie ganz bei sich und aber auch bei jedem einzelnen der 25 Millionen ist, die diese Sonderübertragung gesehen haben. (ARD + ZDF)

 

Nach der Rede schalte ich bewusst ab und versuche zu verarbeiten, was ich da gerade gehört habe.

 

Nach einigen Minuten fällt mir ihr Zitat wieder ein, das mich ganz besonders angesprochen hat, da ich ein „Begegnungsfreak“ bin: „ABSTAND ist der aktuelle Ausdruck von FÜRSORGE.“ Dieser Satz hat mich wirklich nachdenklich gemacht aber berührt hat er mich erst ganz tief, als ich später eine Szene aus einem Krankenhaus in der Nähe von Heinsberg im TV sah. Die sterbenskranke Coronapatientin sagt dem Chefarzt, der sich nur zögerlich traut, an ihr Bett zu gehen und der dabei deutlich Tränen verliert: “Herr Doktor bleiben sie bitte in der Tür stehen, denn ich möchte nicht, dass sie sich anstecken und auch noch sterben müssen.“