Bernhard Sickmann lernte ich vor einigen Jahren kennen. Er berichtete mir über die aufregende Zeit, als das Gebäude Rothenburg 43-44 zur Sanierung anstand. Die Geschichte finden Sie hier.
Neben den vielen Informationen rund um die Baumaßnahme erzählte Bernhard Sickmann auch aus seiner Jugendzeit. Seine Erinnerungen veröffentliche ich gern.
Ihr Henning Stoffers
Meine Familie - Vater, Mutter und 5 Kinder - lebte im Dachgeschoss des schönen Gründerzeithauses Hauses Warendorfer Straße 11. Es wurde 1911 erbaut und 1970 abgebrochen. Im Erdgeschoss wohnte die Familie Kracht mit einer hübschen Tochter. Herr Kracht war so etwas wie ein Geschäftsführer bei der Firma Foto Heinkele am Prinzipalmarkt.
Die Krachts waren für uns schon ,feinere‘ Leute. Herr Kracht ließ bei meinem Vater, der Schneidermeister war, seine Anzüge aufbügeln oder auch schon mal ändern.
Eines Tages wurde ich zu meinem Vater in die Werkstatt gerufen. Herr Kracht war auch zugegen. Foto Heinkele suchte einen aufgeweckten Jungen, der rund um den Prinzipalmarkt Prospektkärtchen von Foto Heinkele an Erwachsene verteilen sollte. Mir wurde ein Stundenlohn von 50 Pfennig angeboten. Ich war mit meinen zwölf Jahren ein sehr schüchterner Junge. Auf Drängen meines Vaters war ich einverstanden. Der Hinweis auf den möglichen Verdienst war zu verlockend. Es wurde somit auch die Pflege des Kunden Kracht berücksichtigt.
Ich musste einen Pagenanzug anziehen und dazu eine Kappe mit dem Schriftzug des Fotoladen aufsetzen. In diesem Aufzug habe ich mich immer verschämt hinter einer Säule am Prinzipalmarkt versteckt, sobald ich einen Bekannten oder gar Klassenkameraden erkannte.
Mein höchster Wochenverdienst betrug 3,50 DM. Vom verdienten Geld habe ich mir im Zoogeschäft Baer in der Wolbecker Straße einen Wellensittich für 9 DM gekauft. Einen total verrosteten Vogelkäfig hatte ich zuvor im Keller der zertrümmerten Engelapotheke gefunden. Wir Jungen kannten in unserem Viertel alle kaputten Häuser in- und auswendig. Dort gab es immer viel zu entdecken. Im Eisenwarengeschäft Dünnewald am Servatiiplatz habe ich dann nach langem Suchen Schmirgelpapier gekauft, und so konnte ich den gefunden Vogelkäfig für meinen Wellensittich Hansi sauber schmirgeln und mit Silberfarbe aus meinem Malkasten mit Wasserfarben anpinseln. Wir alle hatten große Freude an unserem gefiederten Mitbewohner, ganz besonders mein Vater. Hansi konnte ich soweit abrichten, dass, wenn ich ihn rief, er auf meine Schulter flog. Von dort schaute mir Hansi bei meinen Schularbeiten zu.
Quellen
Abbildungen und Text: Bernhard Sickmann und Henning Stoffers