vor Jahrzehnten wurde auf dem alten Zoogelände eine Bank errichtet. Die Bürgerschaft war damals davon nicht begeistert. Im Nachhinein haben sich die damaligen Bedenken in Wohlgefallen - im wahrsten Sinne des Wortes - aufgelöst.
Ein weiträumiger Allwetterzoo mit tiergerechten Einrichtungen wurde zum Besuchermagnet. Auf dem alten Zoogelände entstand ein architektonisches Meisterwerk für die damals in Münster beheimatete Westdeutsche Landesbank.
Wie alles begann, lesen Sie in dieser Bildgeschichte.
Ihr Henning Stoffers
Die im Westen vor der Stadtbefestigung liegenden Aawiesen wurden seit 1657 'regnum celeste' - Himmelreich - genannt. Daraus wurde die Himmelreichstraße und 1903 die Himmelreichallee.
Dort, wo die Aa in die Stadt eintritt, gab es eine kleine Insel, auf der sich im 19. Jahrhundert ein Sommertheater befand - ein romantisches, idyllisch gelegenes Gelände. Es gab keine Brücke; nur mit einem Kahn konnte die Insel erreicht werden.
Genau diese Stelle hatte sich der legendäre Professor Hermann Landois für 'seinen' Zoo ausgesucht. Landois war Priester, Zoologe und vor allen Dingen ein besonders kreativer Mensch - und auch ein etwas skurriler und schnurriger Kauz.
Sein Ziel war es, die Forschungsergebnisse und das Wissen über die heimische Tierwelt der Bevölkerung nahezubringen. 1871 war es dann soweit: der ,Westfälische Verein für Vogelschutz, Geflügel- und Singvogelzucht' wurde unter Vorsitz von Landois gegründet.
Bereits 1873 wurde beschlossen, einen zoologischen Garten zu errichten. Die von Landois vorgesehene kleine Insel an der Aa konnte im Februar 1874 erworben werden. Etwas später kaufte der Verein auch die angrenzende Wiese hinzu, die für den Ausbau der Anlage notwendig war.
Die Gründung des ,Westfälischen Zoologischen Gartens' war vollzogen. Die Eröffnung mit den Spitzen der Verwaltung und Geistlichkeit fand 1875 in dem neu errichteten Restaurationsgebäude statt. Die Feierlichkeiten waren mit einer Ausstellung von Geflügel verbunden - alles begann in einem sehr kleinen und überschaubaren Rahmen.
In Sachen Finanzen zeigte der Verein sich kreativ: Das Vorhaben wurde über die Gründung einer Aktiengesellschaft finanziert. Die Aktie kostete 10 Taler. Eine Dividende gab es nicht, dafür erhielt der Inhaber freien Eintritt in den Zoo. Dagegen fielen aber Einnahmen weg, die dringend für den laufenden Unterhalt benötigt wurden.
Aber auch diese leidigen Geldsorgen konnten durch das reichliche Engagement ehrenamtlicher und unbezahlter Arbeit klein gehalten werden. Und an innovativen Ideen mangelte es dem Professor nicht. Ansichtskarten mit seinem Konterfei - mit und ohne Tuckesburg - wurden in wechselnden Ausführungen zum Verkauf angeboten.
Dann gab es die so genannten ,Völkerschauen', in denen Menschen aus Afrika, dem pazifischen Raum und anderen Regionen der Erde gezeigt wurden. Diese ,Vorführungen' hatten regen Zulauf und brachten Geld für das Zooprojekt. Über diese äußerst zweifelhaften und unrühmlichen Veranstaltungen machte man sich damals wenig Gedanken. Auch Landois distanzierte sich nicht eindeutig von dieser Art der Geldeinnahme.
Als besonderer Baustein der Geldbeschaffung diente - neben verschiedenen Stiftungen - die gegründete ,Abendgesellschaft des Zoologischen Gartens'. Aus allen Gesellschaftsschichten kamen die Akteure (nur Männer, keine Frauen!), die auf der Bühne plattdeutsche Stücke aufführten - natürlich ohne Honorar. Die Einnahmen gingen an den Zoo. Die Aufführungen fanden in dem an das Restaurationsgebäude extra angebauten Saal statt. Mit selbstverfassten Stücken kam reichlich Geld in die Zookasse. So konnte das Stück ,Wolfsschlucht' das Wolfsgehege finanzieren. Der Wildschweinpark bekam zum Beispiel die Mittel aus der Aufführung ,Jan van Leyden'.
Ende des 19. Jahrhunderts gab es mittlerweile viele Tierstationen, wie zum Beispiel den Bärenkäfig, das Löwenhaus, das Aquarium, das Elefantenhaus. Auch in den weiteren Jahren wurde der Tiergarten ständig weiter ausgebaut.
Der Zoo war ein sehr beliebtes Ausflugsziel für Besucher aus nah und fern geworden.
1891 gab es eine weitere bedeutsame Neuerung. Das Naturkundemuseum am Rande des Zoos an der Himmelreichallee wurde eröffnet. Die Idee, den Zoo mit dieser wissenschaftlichen Stätte zu
erweitern, war für Landois die Krönung seiner Bemühungen. Heute ist in den Räumlichkeiten die Westfälische Schule für Musik untergebracht.
Im gleichen Jahr entstand direkt am Zoogelände ein Wohngebäude mit Privatmuseum, das einer Ritterburg nachempfunden war: die Tuckesburg. Landois wohnte in diesem Haus mit seinem Affen ,Lehmann'
bis zu seinem Tode.
Zum 25jährigen Bestehen des Gartens ließ er an der Tuckesburg ein Denkmal, geschaffen von August Schmiemann (u.a. Kiepenkerl), aufstellen, und zwar von sich - mit Zylinder, Pfeife und Gehstock.
Gar nicht öffentlichkeitsscheu posierte er vor seinem Denkmal, und wurde so als Motiv für Ansichtskarten fotografiert. Heute würde man sagen, dass er Sinn für Öffentlichkeitsarbeit hatte. -
An einer seitlichen Mauer hängte er Nachbildungen der Täuferkäfige
auf, in die er Puppen steckte. Daneben hingen Zangen, die glühend gemacht als Folterinstrumente eingesetzt wurden. Die beiden Kanonen stammen vom Preussischen Kriegsministerium, die aufgrund
einer Landois-Eingabe bereitgestellt wurden.
Landois kaufte das Grundstück für 6.000 Mark. Es liegt etwas erhöht, wenn man aus Richtung des alten Lindenhofes kommt. Bis zum Jahre 1200 soll dort eine Burg gestanden haben, die Tuckesburg. Auch ein Richtplatz sei später an dieser Stelle gewesen, so wird Landois zitiert. Der Name ,Tuckes' bedeutet wahrscheinlich ,Wallfahrer'. Heute wird das Gebäude als Wohnhaus genutzt. An der Mauer sind noch die Befestigungen für die nachgemachten Täuferkäfige zu sehen.
1905 starb Landois, er war 70 Jahre alt geworden. Auf dem Zentralfriedhof, genau zwischen dem alten Zoo und dem Aasee, der ebenfalls nach seiner Idee realisiert wurde, befindet sich sein Grab.
Sein Lebenswerk hatte Bestand und wurde erfolgreich fortgeführt. Der Zoo war ein Schmuckstück geworden mit einem Bestand von mehr als 750 Tieren in den 30er Jahren.
Bei den Bombenangriffen in den letzten Kriegsjahren wurden fast alle Tiere getötet. Zwei überlebende Elefanten mussten 1945 als Reparationsgut an den Antwerpener Zoo abgegeben werden. Der Großteil der Zoogebäude war vernichtet. Es begann ein mühsamer Wiederaufbau.
1950 bekam der Zoo wieder einen Elefanten, der in das nur leichtbeschädigte Elefantenhaus einziehen konnte. Wie seine Vorgänger hatte er den Namen ,August'.
Zum 75jährigen Bestehen im Jahre 1950 zeigte der Zoo wieder ein eindrucksvolles Bild. Aber das 100jährige Jubiläum wurde bereits an anderer Stelle gefeiert: im neuen Allwetterzoo. Ein neues Gelände war bereitgestellt worden, stadtauswärts am südlichen Teil des Aasees
Der Maler und Bildhauer Rudolf Breilmann schuf aus diesem Anlass das nebenstehende Relief.
An die Zoobesuche in den 50er Jahren erinnere ich mich gern. Unser Lehrer Franz Homoet, Maler
und Kunsterzieher, führte uns zum Zeichnen in den Tierpark. Der Zoo hatte eine besondere Atmosphäre. Wehmütig stimmte es daher, als Ende der 60er Jahre bekannt wurde, dass der Zoo an anderer
Stelle neu errichtet werden sollte.
Durch eine Fusion war die neue Westdeutsche Landesbank entstanden. Der Sitz der Bank war in Münster und in Düsseldorf. Der damalige Vorstandschef Ludwig Poullain suchte für den Neubau seiner Bank
einen Bauplatz in Münster, notfalls auch in Dortmund. Die Verantwortlichen der Stadt Münster wollten die Bank keinesfalls verlieren, war sie doch ein großer Arbeitgeber und Steuerzahler der
Stadt. Es wurde auch befürchtet, dass Münsters Stellenwert zu anderen Regionen abnehmen würde. Und so bekam die WestLB das attraktive Zoogrundstück.
Im Austausch erhielt der Zoo ein neues, großzügig geschnittenes Gelände im Bereich des südlichen Aasees. Der neue Allwetterzoo - so nennt er sich seitdem - erwies sich als sehr attraktiv für die Besucher.
Für die Haltung der Tiere konnten beim Neubau moderne und neue tiergärtnerische Erkenntnisse zugrunde gelegt werden, die im alten Zoo nicht möglich waren.
In den Jahren 1969 bis 1975 wurde das Bankgebäude nach den Plänen des Architekten Professor Harald Deilmann in mehreren Bauabschnitten fertiggestellt. Durch die einzigartige Architektur einer terrassenförmigen Bauweise schmiegt sich das Gebäude harmonisch in die Parklandschaft ein. Von Anfang an waren in dem Neubau hauptsächlich die Mitarbeiter der LBS - damals eine Abteilung der WestLB - untergebracht.
2002 wurde die LBS eigenständig. Als selbstständiges Institut ist sie nunmehr auch Eigentümerin des Gebäudes und der Anlagen.
Einzigartig sind auch die Plastiken verschiedener prominenter Künstler, die verteilt auf dem Grundstück aufgestellt sind.
Für Ludwig Poullain gab es viel Überzeugungsarbeit, Henry Moore zu bewegen, eine Plastik für das Bankgelände zu schaffen. Erst nachdem sich Henry Moore in Begleitung von Ludwig Poullain das Gelände angesehen hatte, gab er die gewünschte Zusage.
In diesen Tagen habe ich das alte Zoogelände aufgesucht. Bis auf das Eulenhaus und der Tuckesburg ist nichts vom alten Zoo übriggeblieben. Das an der Himmelreichallee direkt am Aasee stehende
Tropenhaus wurde in seinen letzten Jahren als Büro genutzt, bevor es abgerissen wurde. Die Adlervoliere - ein Nachbau aus den 50er Jahren - war baufällig und musste ebenfalls vor wenigen Jahren
abgerissen werden.
Aber es ist eine sehr schöne Parkanlage geworden, die zur Besichtigung einlädt.
Früher gehörten die Wasserbären zur spätmittelalterlichen Befestigungsanlage. Hiermit wurden die Wasserstände der Wassergräben reguliert.
Quellen und Dank
E. Marcus, H. Prümer, E. Rade:
Professor Landois. Lebensbild eines westfälischen Gelehrten-Originals 1907
Joseph Otto Plassmann: Das Buch vom Zoo 1950 - 75 Jahre Westfälischer zoologischer Garten
Henning Stoffers: Fotos - soweit nicht anders angegeben -, Ansichtskarten und Text
Mein Dank geht an Dr. Christian Schröder von der LBS für die freundliche Unterstützung.