Sie würden ihn vermissen, wenn es ihn nicht gäbe: Münsters Wochenmarkt, einer der schönsten Deutschlands.
Im Schatten des Doms einkaufen, Freunde und Bekannte treffen, sehen und gesehen werden oder nur einmal die Atmosphäre schnuppern. All das ist ein Stück Münster.
Wie der Markt vom Prinzipalmarkt zum Domplatz kam, erzählt diese Bildgeschichte. Sie erfahren, warum das Stadtweinhaus keinen Bogengang hat, und was die Appeltiewen im Winter unter ihren Röcken
hatten - und vieles mehr.
Ihr Henning Stoffers
Um 1900 vor dem Stadtweinhaus - Am linken Rand ist ein Teil der Wetterstation zu sehen, die einige Jahre vor der Gaststätte Stuhlmacher stand.
Überall in der Welt, wo Menschen zusammen leben, finden sich Händler und Bauern ein, um ihre Waren anzubieten und zu verkaufen. So gibt es auch in unserer Stadt seit mehr als tausend Jahren ein reges Marktgeschehen. Die alten Straßenbezeichnungen erinnern daran: Prinzipalmarkt, Alter Fischmarkt, Roggenmarkt und Kalkmarkt.
Kein Handel vor den Stadttoren
Wie wichtig bereits früher das Marktwesen gesehen wurde, zeigen die Regelungen, die extra erlassen wurden. Die früheste bekannte Marktordnung stammt aus dem Jahre 1682. Danach ist ein Handel vor den Stadttoren nicht gestattet. Man wollte alles unter Kontrolle haben. Für die verschiedenen Warengattungen mussten die zugewiesenen Marktplätze genutzt werden: für Fisch der (Alte) Fischmarkt, für Getreide der Roggenmarkt und für Gemüse und Obst der Prinzipalmarkt, und zwar zwischen dem Lambertikirchhof und der Stadtwaage am Stadtweinhaus. Zentraler Punkt zwischen den Märkten ist Münsters Marktkirche, die Lambertikirche.
An der Stelle vor dem Stadtweinhaus gibt es keine Bogengänge. Dies hat einen einfachen Grund. Damit die Pferdefuhrwerke im Bereich der Waage besser rangieren konnten, unterblieb dort eine Bebauung.
Direktverkauf aus dem Haus
In der Marktordnung gibt es weitere Bestimmungen, zum Beispiel über den Handel von Brennholz. Oder für den Verkauf von Obst und Gemüse direkt aus den Feldtüren der Häusern heraus. Dies erklärt sich wie folgt: Münster hatte früher den Charakter einer Landstadt. Etliche Bürgerhäuser waren zugleich Wohn- und Bauernhaus, genannt Ackerbürgerhaus. Diese Häuser hatten ein großes Tor (Feldtüre) für das Einbringen der Ernte.
Bei Verstoß gegen die Regelungen drohten Strafen: von der Beschlagnahme der Ware bis zum Einsitzen im Gefängnis.
Nicht in der Verordnung erwähnt ist der Kalkmarkt an der Jüdefelderstraße - Münzstraße. Woher der Name stammt, ist nicht bekannt. Möglicherweise stand hier früher einmal ein Kalkofen. Mitte des 19. Jahrhunderts fanden an dieser Stelle Viehmärkte statt, die dann später für einige Jahre auf den Neuplatz - heute Schlossplatz - verlegt wurden.
Kein Durchkommen unter den Bögen
Der Prinzipalmarkt war für das Marktgeschehen besonders attraktiv. Allein durch seine Breite bot er sich für einen größeren Publikumsandrang hervorragend an. Für die Händler und Bauern waren die Bogengänge geradezu ideal. Konnten sie doch hier ihre Waren trocken lagern und sich selbst vor Wind und Regen schützen. An den Hauptmarkttagen Mittwoch und Samstag, wenn zusätzlich die Händler und Bauern kamen, gab es unter den Arkaden für die Bürger kein Durchkommen mehr. Dass sie die Straße nutzen mussten, war kein Problem, denn es gab so gut wie keinen gefährlichen Straßenverkehr.
Appeltiewen
Die Marktfrauen wurden ,Appeltiewen' genannt. Das Wort lässt sich ableiten von Appel wie Apfel und Tiewe wie bissige Hündin. Diese Frauen waren nicht ,auf den Mund gefallen', und so erklärt sich der Begriff.
Tagaus und tagein - im Sommer wie im Winter - saßen diese Frauen neben ihren Ständen. Sie verkauften hauptsächlich Gemüse und Obst für den täglichen Bedarf. Im Winter schoben sie sich einen kleinen Holzkohleofen - das Füersstüörwken (Fußöfchen) - unter die weiten Röcke. Meist waren es ältere Frauen, die einen großen Schal trugen, der sie vor Kälte und Nässe schützen sollte.
Von der Bedürfnisanstalt und der letzten Appeltiewe
Beim Betrachten eines alten Fotos fiel mir in der Vergrößerung ein am Rathaus angebrachtes Schild auf. Man hatte versucht, das darauf Geschriebene unlesbar zu machen - die Postkarte würde sich sonst vielleicht nicht gut verkaufen lassen -: Bedürfnisanstalt für Frauen. Insbesondere für die Appeltiewen dürfte diese Einrichtung aus naheliegenden Gründen ein großer Fortschritt gewesen sein. Wie es zur Einrichtung dieser Toilette kam, und wo sie war, ist mir nicht bekannt.
Die letzte Appeltiewe war Dine Osthoff. Als ein liebenswertes Original der besonderen Art stand sie mit ihrem Obststand bis 1971 auf dem Prinzipalmarkt. Dine, klein gewachsen und von großer Körperfülle, war bekannt für ihr ,lockeres Mundwerk', Sie begrüßte die offziellen Gäste der Stadt, zum Beispiel Theodor Heuss und Albert Schweitzer.
Die Elektrische
1900: Münster wächst rasant, der Hafen ist gebaut, die ersten Autos fahren, und als modernes Verkehrsmittel kommt die elektrische Straßenbahn. Ein Gleispaar führt nunmehr haarscharf am Bürgersteig des Prinzipalmarktes vorbei. Einige Jahre später kommt ein weiteres Gleispaar hinzu. Für einen Markt unter den Bögen gibt es keinen Platz mehr. Es wird beschlossen, ab 1901 den Markt auf dem Domplatz abzuhalten.
Auch nach dem Umzug des Marktes zum Domplatz gibt es bis heute einen Verkaufsstand auf dem Prinzipalmarkt. Allerdings werden nunmehr Blumen statt Obst und Gemüse verkauft.
Neue Marktplätze
Münster hat inzwischen mehr als 100.000 Einwohner. In der ersten Hälfte den 20. Jahrhunderts werden daher weitere Wochenmärkte eingerichtet, und zwar zum Beispiel am Ludgeriplatz, an der Warendorfer Straße bei der Gaststätte Peter in der Fremde, am Mauritztor, am Aegidiikasernenplatz (heute Aegidiimarkt) und am Überwasserkirchplatz.
Bewährt hat sich über die Jahrzehnte jedoch nur der Wochenmarkt auf dem Domplatz. Inzwischen gibt es in den meisten der eingemeindeten Stadtteile kleine Wochenmärkte.
Markt im Schatten des Doms
Nun hat der münstersche Wochenmarkt einen besonders schönen Platz erhalten. Heute sind es mehr als 150 Stände, die zum Kaufen und Verweilen einladen. Ein Tasse Kaffee mit einem kleinen Imbiss vor oder nach dem Einkauf gehören zum Marktbesuch dazu.
Der kleine Streichelzoo
Das Bild des Wochenmarktes hat sich in den letzten 50 Jahren gewandelt - die alten Fotografien zeigen es. So gehörten früher lebendes Geflügel und Kleinvieh - Hühner, Enten, Karnickel - ganz selbstverständlich zum Angebot. Für die Kinder war es ein großes Vergnügen, die Küken zu beobachten oder den Stallhasen zu streicheln. Heute ist das Warensortiment größer geworden, aber der Ursprung als Gemüsemarkt ist auch heute noch unverkennbar.
Was das Besondere ist...
Ein Schwätzchen am Stand, das zufällige Wiedersehen alter Bekannter und das Flanieren durch die Reihen gehören zum Besuch des Wochenmarktes.
Vielleicht ein kleiner Abstecher in den Dom für einen Augenblick der Ruhe oder für eine kurze Andacht oder ein Abstecher zum nahen Prinzipalmarkt - die Möglichkeiten sind unbegrenzt. So kommt es
nicht von ungefähr, dass es heißt:
Münsters Wochenmarkt - einer der schönsten Deutschlands.
Früher fanden auf dem Domplatz regelmäßig Jahrmärkte statt - die jährlichen drei Sende. Allerdings durften keine Karussells aufgebaut werden, da lärmende Einrichtungen auf dem Domplatz nicht geduldet wurden. Man stellte sie daher etwas weiter an der Aegidiikaserne auf.
Der Send hat im Gegensatz zum Wochenmarkt einen religiösen Ursprung. Das Wort ,Send' wird abgeleitet von ,Synode'. Regelmäßig wurden die großen Diözesansynoden in der Bischofsstadt abgehalten, die mit einem Volksfest verbunden waren. Es kamen vielen Menschen zusammen, zu denen sich Händler, Gaukler und Schausteller gesellten. Woanders waren es die Kirchweihfeste oder Patronatsfeste, die beispielsweise Kirmes genannt werden.
Quellen
Walter Werland: Aufsatz über die Eröffnung des Wochenmarktes auf dem Domplatz
Max Geisberg: Stadt Münster Band I und IV
Henning Stoffers: Text und Fotos soweit nicht anders angegeben