die Resonanz auf die vorangegangene Bildgeschichte ,Vor 50 Jahren...' war unerwartet groß, so dass nun ein zweiter Teil folgt.
Die Fotografien - überwiegend Amateuraufnahmen - zeigen Münster aus verschiedenen Blickwinkeln. Sie sehen Bilder von Veranstaltungen, aus der Arbeitswelt und ganz alltägliche Straßenszenen.
Erinnert wird u.a. an den ,Fall Blomert-Weigand', der damals Gesprächsthema Nummer eins war.
Ihr Henning Stoffers
Ende 1950er Jahre. Wochenende am Aasee. Ein warmer Frühlingstag. Das schöne Wetter lockt die Menschen zum Aasee.
Aus aktuellem Anlass warnt die Polizei vor Taschendieben. Der Andrang in den ersten Tagen des Ausverkaufs kann so stark sein, dass es Dieben gelingen kann, den Hausfrauen die Geldbörsen stehlen zu können. Der Einsatz der Kriminalpolizei wird verstärkt.
Paul Blomert war Rechtsanwalt in der Kanzlei des Oberbürgermeisters Dr. Busso Peus. 1961 erschoss er sich. Aufgefunden wurde er mit seinem Gewehr im Arm. Der herbeigerufene Chefarzt des Clemenshospitals Dr. Tiwisina fand ihn noch lebend mit einer Ein- und Ausschusswunde am Kopf vor. Auf der Fahrt zum Krankenhaus verstarb Blomert. Auch der Gerichtsmediziner Dr. Rohlfing stellte - wie Dr. Tiwisina - die gleichen Verletzungen fest. Eine Obduktion unterblieb.
Das Interesse an einer diskreten Behandlung des Suizids war insbesondere für die Anwaltskanzlei Peus und für Blomerts Ehefrau groß. Sie wollten das Ganze als einen Unglücksfall behandelt
wissen.
Es gab drei Abschiedsbriefe. Sein Vater und seine Brüder vermuteten jedoch einen Mord, der vertuscht werden sollte, denn es gäbe - behaupteten sie - mehrere Einschusswunden. Auch meinten sie,
dass Details aus seinem beruflichen und ehelichen Umfeld vertuscht werden sollten.
Dr. Günter Weigand war Dipl. Volkswirt und stand damals mit vielen Behörden und Gerichten auf ,Kriegsfuß'. Seine Lebensaufgabe sah er darin, Mitmenschen in jeglicher Not beizustehen. Blomerts Vater und Brüder beauftragten ihn, sich der Sache anzunehmen. Ein hiesiger Anwalt war nämlich für eine Interessenvertretung nicht zu gewinnen.
Weigand begann öffentlichkeitswirksam auf die aus seiner Sicht schlampig durchgeführten Untersuchungen hinzuweisen. Er verteilte Flugblätter, und das Interesse an dem vermeintlichen Skandal eines
vertuschten Mordes wuchs bundesweit. Prominente, wie Heinrich Böll, stellten sich an Weigands Seite. Seine Mordtheorie untermauerte Weigand mit Verdächtigungen der Witwe, der Polizei und der
Justizbehörden.
Die Witwe kam einige Tage in Untersuchungshaft - sie hätte den Abschiedsbrief an den Vater unterschlagen -, der Leichnam Blomerts wurde ein Jahr später exhumiert und untersucht - es ergaben sich keine neuen Erkenntnisse. Widerstände begegnete Weigand mit immer heftigeren Beleidigungen und Verleumdungen.
Der Generalstaatsanwalt des Oberlandgerichtes Hamm schaltete sich ein. In einer Presseverlautbarung gab er eine umfangreiche Darstellung der Vorkommnisse ab. Gegen Weigand erging ein Haftbefehl. Die Einweisung in eine Heilanstalt außerhalb NRW wurde verfügt, um zu klären, ob er zurechnungsfähig ist und für sein Handeln strafrechtlich belangt werden kann.
1965 wurde der Fall Weigand vor dem Landgericht Münster verhandelt. Die Mordtheorie wurde schnell als abwegig beschieden. Weigand erhielt für seine Beleidigungen und Verleumdungen eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren.
Der Fall hatte bundesweit große Wellen geschlagen. Auch Jahre nach dem Prozess vor dem Landgericht gab es weitere gerichtliche Auseinandersetzungen. Dabei ging es um die gestellte Diagnose einer ,exzessiven Querulanz' Weigands, die zu dessen Verurteilung führte. Letztlich wurde die Gefängnisstrafe höchstrichterlich als unrechtmäßig beurteilt. Das Gutachten sei aus Gefälligkeit für die Justizbehörden erstellt worden, um ihn kalt zu stellen.
Oberbürgermeister Dr. Busso Peus wurde 1964 nicht wiedergewählt. Auch ein Ratsmandat erhielt er nicht.
Im Bauausschuss beklagte Dr. Deckwitz Münsters Verkehrssituation. Die Verkehrsdisziplin der Fußgänger sei schlecht. Er regte einen Fußgängertunnel zwischen der Salzstraße und der anderen Seite des Prinzipalmarktes an.
In den Bahnhofsgaststätten tagte Münsters Tierschutzverein. Man prangerte die Intensivhaltung von Nutztieren als unverantwortliche Tierquälerei an.18 Hühner auf einem Quadratmeter: ein Huhn hat Platz auf einer halben Schreibmaschinenseite. Die Kälber stehen auf Rosten und werden flüssig ernährt, um weißes Fleisch zu erzeugen. Und heute...
Quellen
Text: Henning Stoffers
Fotos: Sammlung Henning Stoffers