Münster in den Jahren um 1950, davon handelt diese Bildgeschichte. Das Fotomaterial aus jener Zeit ist rar; die Menschen mussten sich um das Existenzielle kümmern.
Nun wurden mir großzügigerweise etliche Fotografien zur Verfügung gestellt, die Münsters Leben in der Nachkriegszeit zeigen. Ich danke Monika und Charly Reims herzlich für die freundliche Unterstützung.
Ihr Henning Stoffers
Mit dieser eindrucksvollen Aufnahme beginne ich diese Bildgeschichte. Fotografiert ins Gegenlicht, das Spiel der Schatten - eine meisterliche Aufnahme.
Im Hintergrund ist eine der ,Nissenhütten' erkennbar, die damals auf dem Schlossplatz für die Universität aufgestellt waren.
Nissenhütten sind halbrunde, genormte und mobile Bauwerke aus Wellblech. Sie wurden benannt nach ihrem Entwickler Peter Norman Nissen, einem kanadischen Ingenieur. Mit dieser von ihm entwickelten Billigbauweise konnten, wenn es erforderlich war, schnell Unterkünfte oder Arbeitsräume bereitgestellt werden.
Fälschlicherweise werden die Nissenhütten mit den Nissen der Läuse (Gebilde der Eiablage der Läuse am Haar) in Zusammenhang gebracht. Auch ich kannte nur diese Definition, bis ich eines Besseren belehrt wurde. Aber ganz so übel finde ich dennoch diese Ableitung nicht...
1950 hatte Münster 120.000 (1945: 26.000) Einwohner. Darin enthalten waren 13.000 Flüchtlinge und Vertriebene. Der Anteil der Vertriebenen und Flüchtlinge machte 11 % aus. Es wurde genau Statistik geführt: 12.100 Vertriebene und 900 Flüchtlinge aus der russischen Zone.
70 % der Bevölkerung gehörte der röm.-kath. Kirche an.
An der Universität gab es lediglich 5.000 eingeschriebene Studenten.
Nur 5.200 Kraftfahrzeuge waren zugelassen. Es wurden aber 968 Verkehrsunfälle mit 18 getöteten Personen verzeichnet. Eine erschreckend hohe Zahl.
Die Stadtwerke beförderten mit ihren Straßenbahnen, Obussen und Bussen mehr als 10.000.000 Personen. Da es nur einen äußerst geringen Autoverkehr gab, erklärt sich die hohe Zahl der Personenbeförderungen.
7 Krankenhäuser gab es. 970.000 Pflegetage wurden verzeichnet.
1950 wurden mehr als 48.000 Beschäftigte gezählt. 300 offenen Stellen standen 4.100 Arbeitssuchende gegenüber. Mithin eine Arbeitslosenquote von weniger als 9 %.
Es gab eine Verlosung dieses Lieferwagens. Der glückliche Gewinner fuhr mit seinem gewonnenen Tempo-Dreirad über den Prinzipalmarkt.
Es geht aufwärts. Man ist stolz auf die Produktionszahlen, monatlich werden in Hamburg 880 Lieferwagen hergestellt. An der Hammer Straße 234 konnte der Pritschenwagen für 3.300 DM erworben werden.
Das Rathaus ist zwar noch nicht wieder aufgebaut und nicht alle Baulücken sind geschlossen, aber man kann wie in früheren Jahren wieder unter den Arkaden wandeln.
Die größte Not der Nachkriegszeit war Anfang der 1950er Jahre vorbei. Die neue DM-Währung wurde eingeführt. In den Geschäften gab es ein deutlich größeres Warenangebot. An den Marktständen wurden Obst und Gemüse in ausreichenden Mengen verkauft.
Falls Sie mehr über Münsters Markt erfahren wollen, klicken Sie bitte hier.
Nachdem der Kanal und der Hafen - beide arg beschädigt - wieder instand gesetzt waren, konnte Münsters Hafen 1950 fast 2.000 Schiffe zählen.
Damals gab es noch keine Fußgängerstraßen. Straßenbahn, Autos und Fahrräder gehörten zum Straßenbild. Das Paar im Vordergrund ist in dieser Bildgeschichte öfters zusammen oder auch getrennt zu sehen. Zum Beispiel oben an der Pforte des Schlossgartens, darunter mit Kinderwagen, nachstehend vor der Schießbude oder weiter unten am Dampfbagger.
An die Schießbude erinnere ich mich sehr gut. Sie stand später auf dem Schlossplatz. An der linken Seite der Bude konnte auf einen nach Tauben schnappenden Fuchs gezielt werden. Wurde die richtige Stelle getroffen, fiel der Fuchs um und löste einen lauten Knall aus. Allein das Zuschauen hatte seinen besonderen Reiz. Geld fürs Schießen hatte man nicht.
Nicht weit entfernt stand die ,Raupe'. Das Fahrgeschäft des besonderen Vergnügens für uns Teenager. Es gab nämlich ein Verdeck, das sich für kurze Zeit über die Zweiersitze stülpte. Manch ein Mädchen hat dort seinen ersten Kuss bekommen, und manch ein Junge hatte es zumindest probiert, seine Mitfahrerin mit einem Schmatzer zu beglücken ...
Welch ein Programm! Der berühmte italienische Tenor Beniamino Gigli, der nicht weniger berühmte Dirigent Wilhelm Furtwängler mit den Wiener Philharmonikern und die damals bekannten Schauspieler wie Lil Dagover und Attila Hörbiger kamen in die Halle Münsterland.
In diesen und den früheren Jahren wurde die Halle Münsterland hauptsächlich für landwirtschaftliche Zwecke genutzt: Viehversteigerungen und Zuchtviehausstellungen. Insofern konnte von einem gepflegten Ambiente nicht die Rede sein. Später fanden hier u.a. das Sechs-Tage-Rennen und Catch-Veranstaltungen statt. Aber auch Carmina Burana in Anwesenheit von Carl Orff wurde aufgeführt.
Die Städtischen Bühnen und Orchester hatten 390 Aufführungen. Es gab 7 Kinos und die Stadtbücherei lieh 72.000 Bücher aus.
Um den Mangel an Konsumgütern besser steuern zu können, wurden in Notzeiten Lebensmittelkarten ausgegeben. Behördlicherseits gab es genaue Kriterien, wer welche Bezugsscheine bekam. Ein
Schwerstarbeiter, z.B ein Bergmann, erhielt eine höhere Einstufung und somit eine bessere Versorgung als ein Büroangestellter.
Links die Speisekarte vom 15.6.1948 des Hansa-Hauses am Albersloher Weg. Zusätzlich zum Entgelt mussten Lebensmittelmarken abgegeben werden, zum Beispiel eine Fischmarke oder Fleischmarke. - Am 20.6.1948 wurde die DM eingeführt. Die Lebensmittelmarken wurden erst 1950 abgeschafft.
Unübersehbar war die Vielzahl der Baustellen im Stadtgebiet. Obenstehendes Bild zeigt den Neubau der Gildenstube an der Neubrückenstraße. Der Gaststättenbetrieb war bereits aufgenommen worden,
während die oberen Geschosse sich noch im Rohbau befanden.
Mangels finanzieller Mittel wurden nicht immer sofort alle Stockwerke hochgezogen. Man holte dies zu gegebener Zeit nach.
Dieser dampfbetriebene Koloss wurde in Münster für Erd- und Aufräumarbeiten eingesetzt. Die Dimensionen des Gerätes waren gewaltig. Die danebenstehende Person misst fast 2 Meter. So dürfte die Höhe des Maschinenhauses einschließlich Kette mehr als 5 Meter betragen haben. Leider ist mir eine genaue Ortsbestimmung der Aufnahme nicht möglich.
Quellen
Text: Henning Stoffers
Statistische Angaben: Einwohnerbuch Münster 1953
Fotos und Abbildungen: Monika und Charly Reims und Henning Stoffers