im Mai 2018

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Karl-Georg Stephan aus dem Kreuzviertel am 9.5.1947 um 22:30 Uhr das Licht der Welt erblickte, ahnte niemand, dass aus dem Kleinen einmal ein bekannter Rockmusiker werden würde. Bereits in jungen Jahren trat er zusammen mit Udo Lindenberg u.a. in der Oase und im Insel-Café am Roggenmarkt auf.

 

Steffi Stephan habe ich als sensiblen, klugen und sympathischen Menschen kennengelernt. Die vielen Geschehnisse und Facetten seines Lebens würden den Rahmen dieser Bildgeschichte sprengen. Ich verweise daher gern auf die bei Aschendorff erschienene ausführliche Biographie, die von Wilhelm Karkoska geschrieben wurde.

 

Da Steffi in diesen Tagen Geburtstag feiert, ist diese Geschichte mein kleines Geburtstagsschenk an ihn.

 

Ihr Henning Stoffers


Keine Panik, alles Jovel...

Über die Oase, das Inselcafé, das Jovel und Steffi Stephan

Besuch bei Steffi Stephan

In einem in die Jahre gekommenen Gebäude direkt am Hafen hat Steffi Stephan sein Büro. Der Raum, vielleicht an die 70 qm groß, ist vollgestopft mit einem Sammelsurium an Erinnerungstücken aus Steffis Musikerleben.

 

Es braucht seine Zeit, all die Dinge und die besondere Atmosphäre in sich aufzunehmen. An die 20, 30 Gitarren in allen denkbaren Variationen sind an der Längsseite aufgestellt. Goldene Schallplatten hängen an den Wänden und viele, viele Dinge mehr.

Steffi versteckt hinter seinem Schreibtisch
Steffi versteckt hinter seinem Schreibtisch
Steffi am Straßenkreuzerschreibtisch
Steffi am Straßenkreuzerschreibtisch

Mein Blick bleibt  an einem alten amerikanischen Straßenkreuzer hängen, von dem nur noch der vordere Teil vorhanden ist. Dort, wo sich eigentlich das Lenkrad befinden müsste, ragt die Rückseite eines großen Monitors hervor. Der Monitor wird - unübersehbar - von einer blauen Zipfelmütze gekrönt. Sie gehört zu Steffi Stephan, der die Vorderkarosse des alten Straßenkreuzers zu seinem Schreibtisch umfunktioniert hat.

Kindheit und Jugend

Steffi im Kindergarten 1951
Steffi im Kindergarten 1951

Steffi kam am 9.5.1947 um 22:30 Uhr im Evangelischen Krankenhaus im Kreuzviertel als Karl-Georg zur Welt. Seine Eltern hatten zum Zeitpunkt der Geburt ein relativ hohes Alter erreicht; der Vater war 56, die Mutter 40 Jahre alt. Karl-Georg wuchs im Kreuzviertel auf und wurde bereits in seinen frühen Jahren Steffi genannt. Er besuchte die Kreuzschule und begann 1960 als 13-jähriger eine kaufmännische Lehre bei Krukenkamp am Alten Fischmarkt.

 

Die frühen 60er Jahren waren in Münster - wie überall - bieder, steif und konservativ. Die neuere Musik wurde als Hottentottenmusik abgetan. Aber den ersten Lichtstreif am Horizont für Veränderungen gab es in Münster bereits: die Cavete.

Steffi mit Eltern
Steffi mit Eltern
Steffi und Udo 1963
Steffi und Udo 1963

Steffi und Udo in den frühen Jahren
Steffi und Udo in den frühen Jahren

Sein Vater war vor einigen Jahren verstorben, und daher verfügte die Mutter nur über eine kleine Rente. In dieser Zeit gab es in Steffis Leben eine bedeutsame Weichenstellung: Als 14-jähriger kaufte er sich unter großen finanziellen Opfern seiner Mutter eine Gitarre. Steffi nahm Gitarrenunterricht und hatte als Lehrling seinen ersten Auftritt im Gemeindehaus der Hl. Kreuz-Kirche mit der Guitarmen-Band.

The Mustangs 1964 - Foto Preker
The Mustangs 1964 - Foto Preker

Es gab Auftritte in der Oase am Bahnhof. Dieses Minutencafé lag rechts neben dem Roland-Theater in der ersten Etage. Über Zeitstempel auf einem Formular wurde die Dauer des Besuches abgerechnet: Die Minute kostete einen Pfennig. Diese Form der Berechnung des Eintritts gab es auch später im Insel-Café am Roggenmarkt. - Ganz so preiswert war dies nicht, wie man zunächst meinen könnte. Ein dreistündiger Aufenthalt summierte sich immerhin auf 1,80 Mark. Hinzu kamen die Getränke, so dass der Abend durchaus 4 Mark kosten konnte. Damals eine Menge Geld.

The Guitarmen 1963 - Foto Preker
The Guitarmen 1963 - Foto Preker

Im Insel-Café trat Steffi  regelmäßig mit der Guitarmen-Band auf. Am Eingang stand der imposante Geschäftsführer Arno Blunk, ein Riese von mehr als 2 Metern Größe. Er fungierte auch als Türsteher. Oft steckte einer seiner Arme in einem Gipsverband. Wir mutmaßten damals, dass er sich die Verletzung bei seiner Rausschmeißertätigkeit durchs Zuschlagen zugezogen haben könnte. Ein Irrtum und ein Vorurteil; Arno war eine Seele von einem Menschen.

Die Diskothek ,Insel' bzw. ,Pferdestall'
Die Diskothek ,Insel' bzw. ,Pferdestall'

Eine Freundschaft entsteht

Dickste Freunde - Steffi und Udo
Dickste Freunde - Steffi und Udo

Steffi hatte eine Leidenschaft entdeckt, die sein künftiges Leben bestimmen sollte: die Musik. Ein Mensch sollte in diesen Jahren in sein Leben treten, der künftig für ihn eine große Rolle spielen sollte: Udo Lindenberg.

 

Udo wurde Mitglied der Guitarmen-Band, studierte Schlagzeug an der Musikschule Münster und gründete mit Steffi die Band The Birds. - Zwischen Steffi und Udo entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die auch heute noch Bestand hat.

Collage Wilfried ,Schrolli' Schroeder
Collage Wilfried ,Schrolli' Schroeder

Das strenge Jungendschutzgesetz bereitete dem noch minderjährigen Steffi erhebliche Probleme. Das Jugendamt hatte ihn nach einer Alterskontrolle von der Bühne geholt und nachhause gebracht. Von nun an hielt sich seine Mutter als Erziehungsberechtigte in seiner Nähe bis spät in die Nacht auf. Sie saß nahe der Bühne und strickte. Die gesetzlichen Erfordernisse waren somit pro forma erfüllt.

Die Jovel I, II, III

In Sachen Rock und Pop war Münster Ende der 1970er Jahre mit der Eule, dem Elephanten und dem Folkclub mehr oder weniger Diaspora. Das sollte sich mit Steffi Stephan ändern.

 

Als ihm die alte Kneipe Neuer Krug angeboten wurde, konnte er nicht widerstehen. Im Nachbargebäude hatte Heiner Pier ein Programmkino, das trotz einiger Widerstände von Steffi übernommen wurde. Nun war Steffi Gastwirt, Konzertveranstalter und Geschäftsführer eines Kinos.

 

Er war trotz aller Warnungen ein großes wirtschaftliches Risiko eingegangen.

Gogomobil mit Jovelwerbung
Gogomobil mit Jovelwerbung

Das Kino war das Sorgenkind. Die Filme waren von zu hoher Qualität und damit unkommerziell, und so wurde das Kino in ein Konzertkino umgewandelt. Das erste Jovel war aus der Taufe gehoben.


Der Abriss des Jovels an der Weseler Straße
Der Abriss des Jovels an der Weseler Straße

Gäste und Künstler konnten nach Konzertende um die Ecke in Steffis Kneipe gehen. Am Zapfhahn standen Münsters Rockmusiker.

 

Es entwickelte sich ganz nebenbei eine sehr aktive Discoszene. In diese Richtung hatte man ursprünglich nicht gedacht. In Steffis Augen war eine Disco nicht en vogue, aber nun änderte er wegen des finanziellen Drucks seine Ansicht.

 

Die Geschäfte brummten, alle Sorgen waren vergessen. Aber das Gebäude war in einem maroden Zustand, der Abriss stand bevor. Steffi musste sich nach neuen Ufern aufmachen.

Das Jovel in der Germania-Therme
Das Jovel in der Germania-Therme

Die alte Germania-Brauerei gab es seit Jahren nicht mehr. In deren alten Brauereihallen gab es Räumlichkeiten, die sich für das Jovel II bestens eigneten. 1987 begann dank der großartigen Unterstützung von Ruprecht Polenz an der Grevener Straße die Ära von Jovel II. Viele bekannte Bands waren im neuen Jovel zu Gast. Ich erinnere mich gern an die wunderbaren Auftritte von Achim Reichel und seiner Band.

 

Die Musikbranche ist schnelllebig, und so war auch der Discobetrieb vom steten Wandel betroffen. Es entstanden in diesen Jahren in Münster mehrere Großdiscos; sie kamen und sie gingen. Auch Steffis Disco blieb von diesen Zeitläufen nicht verschont. 2007 schloss das Jovel II an der Grevener Straße seine Pforten.

Das Jovel III am Hawerkamp
Das Jovel III am Hawerkamp

In der Zeit der Suche nach einer neuen Räumlichkeit ging es am Albersloher Weg über mehrere Stationen weiter. Einige Jahre lang wurde für den Monat Dezember eine leerstehende Halle angemietet, um dort die ,Scheinheilige Nacht' und die Silvesterparty zu feiern.

 

Als das Autohaus Kiffe zumachte, bot sich das Gebäude ideal fürs Steffis geplantes Jovel III an. Die Räumlichkeiten konnten anfangs nur kurzzeitig angemietet werden, was eine Konzertplanung fast unmöglich macht. Diese Schwierigkeiten konnten durch eine langfristige Vertragsgestaltung  überwunden werden.

 

Die Geschicke des Jovel III - Jovel Music Hall - leitet inzwischen sein Sohn Marvin Lindenberg.

Persönliches

Steffi heiratete 1968. Diese Ehe ging 1972 in die Brüche. Er lernte Inge Lindenberg, die Schwester seines Freundes Udo, kennen. Sie wurden ein Paar, und aus dieser Beziehung ging ihr Sohn Marvin Lindenberg hervor.

 

Heute lebt Steffi mit seiner Partnerin Claudia zusammen.

Im Gespräch

Steffi Stephan lernte ich als Menschen mit klarem Verstand, Offenheit, Rückgrat und viel Humor kennen. Um es kurz zu sagen: ein echter Typ.

 

Steffi hat die 70 überschritten, und so stellt sich ihm verstärkt die Frage über die weitere Zukunft. Neugierig zu sein und zu bleiben, ist für ihn eine wichtige Voraussetzung, um auch im Alter weiter aktiv zu sein. Und wenn Steffi über seine künftigen Aktivitäten spricht, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Steffi steckt voller Tatendrang, und dabei hat sein soziales Engagement einen besonderen Stellenwert.

Unabdingbar ist für ihn der gegenseitige Respekt der Menschen untereinander. Sich über körperliche oder geistige Mängel Anderer lustig zu machen oder abfällig darüber zu sprechen, ist für Steffi eine absolute, nicht tolerierbare Grenzüberschreitung.

 

Wenn er über die vielen Menschen spricht - es fallen Namen wie aus dem Who’s Who -, die sein Leben gekreuzt haben, hört man viel Positives. Natürlich waren die Anfänge schwer, und nicht immer lief alles glatt. Als von ihm das Kino Neuer Krug Ende der 1970er Jahre übernommen wurde, gab es so manche schlaflose Nacht. Aber es war Neuland betreten worden. Es war die Geburtsstunde des Jovels.

Zum Schluss

Steffi und Autor
Steffi und Autor

Steffi Stephan gehört zu Münster und ist fester Bestandteil seiner Stadt. Generationen von Menschen verbinden ihre Erinnerungen, insbesondere aus der Jugendzeit, mit Steffi Stephan und dem Jovel. Ganz eng ist das Panikorchester mit seinem Namen verschmolzen, dessen Gründungsvater er ist.

 

Und zu Steffi passen gut diese vier Worte: keine Panik, alles jovel...


Fragen + Antworten: nachgereicht im November 2021

Ein Wort vorab

Steffi Stephan war vor fast vier Jahren der erste Interviewpartner der Reihe ,Ganz persönlich…‘. Und weil das damalige Konzept noch nicht ganz ausgereift war, fehlt der Frage- und Antwortteil. Das hole ich hiermit nach, und somit ist Steffi Stephan sowohl der erste als auch der letzte Teilnehmer dieser Reihe. Wir trafen uns in seinem Studio am Hafen.

Was denkst über Deine Stadt?

Münster ist nun mal meine Heimat. Hier werde ich auch höchstwahrscheinlich bis zu meinem Tod bleiben.

 

Die alte Stadt ist jung geblieben und hat eine quirlige Kunst- und Kulturszene, was insbesondere durch die große Studentenschaft positiv beeinflusst wird. Neben meiner Heimatstadt Münster gefällt mir Hamburg sehr gut - …nicht nur weil Udo Lindenberg dort lebt.

 

Was hättest Du anders machen sollen?

Gar nichts. Ich habe immer alles aus vollem Herzen, mit Liebe, Freude und Überzeugung getan. Insofern blicke ich gern auf mein Leben zurück.

Echte Freunde?

Da ist an erster Stelle natürlich Udo Lindenberg zu nennen. Wir kennen uns fast 60 Jahre. Durch unsere Musik sind wir eng verbunden. In unserer Freundschaft gab es – wie in jeder Beziehung - natürlich Höhen und Tiefen. Aber uns hat nichts auseinandergebracht.

 

Dann ist da mein Freund Franz Bolle zu nennen, den ich aus Kindergarten Zeiten kenne. Gemeinsame „Onkel-Doktor-Spiele“ verstärkten das Vertrauen. Er hat im Gegensatz zur mir einen gänzlich anderen Lebensweg eingeschlagen. Er ist Beamter geworden. Trotz unserer Gegensätzlichkeit sind wir echte Freunde.

 

Worüber freust Du Dich?

Nach fast zweijährigem Corona-Stillstand freue ich mich auf die ,Udo Lindenberg Deutschland Tour 2022‘. In einem halben Jahr geht es los. Endlich.

 

Was ärgert Dich?

Ja, das sind die Impfgegner, die eine Immunisierung ablehnen - nicht die, bei denen medizinische Gründe dagegensprechen. Diese Impfgegner verkennen ihre Mitverantwortung gegenüber ihren Mitmenschen in unserer Gemeinschaft. Sie sollten die Eigeninteressen dem Gemeinwohl unterordnen.

 

Wie war’s bei ,Wetten, dass‘?

Der Aufwand für unseren dreiminütigen Auftritt bei Thomas Gottschalk war riesig. Da war zunächst die Anreise, dann gab es eine Probe, die erst verzögert stattfinden konnte. Dann hieß es warten, warten, warten, bis wir endlich auf die Bühne durften. Und wir spielten nicht Life. Zur Playback-Musik ,bearbeiteten‘ wir unsere Musikinstrumente. Nach nur drei Minuten dreißig war für uns Schluss.

 

Wenn Du einen Wunsch frei hättest?

Es wäre schön, von meiner Arthrose befreit zu werden. Aber mittlerweile habe ich die Krankheit gut im Griff. Altwerden ist nur was für Mutige, aber auch ein bisschen „Scheiße“.

 

Was hältst Du von der Gendersprache?

Die Sprache lebt und ist im steten Wandel. Was früher im üblichen Sprachgebrauch war, wird heute oft anders gesehen. Ich habe nichts dagegen, wenn sich eine neue Sicht auftut. Allerdings reichen die Mittel unserer jetzigen Sprache durchaus aus, Achtung gegenüber jedem Menschen auszudrücken. Es bedarf keiner Sperenzchen irgendeiner Sprachakrobatik.

 

Gibt es eine schöne Geschichte?

Als wir die neue Tournee für 2022 voller Ideen planten, waren wir euphorisch gestimmt, weil wir endlich wieder auf Reisen gehen können. Wir sind ja nicht die Jüngsten. Udo hat ja den Club der 100-Jährigen ausgerufen, und da hatte ich die Idee, für eine Tournee anlässlich unseres 100. Geburtstages bereits jetzt Tickets für das Jahr 2047 auszugeben. Nicht übertragbar und nicht vererbbar. (Als Motivation für uns, noch lange weiterzumachen…)


Anhang

Schaffensjahre + Stationen

Steffi und Udo Jürgens
Steffi und Udo Jürgens

Steffi war in den mehr als 50 Jahren Bassist, Produzent, Kinobesitzer und Eventmanager. Mit vielen bekannten Künstlern machte und produzierte er Musik.

 

Eine kleine Auswahl der langen Liste der Mitwirkenden und Stationen:

Peter Maffay, Udo Lindenberg , Eric Burdon, Achim Reichel, Milva, Ulla Meinecke, Harry Belafonte, Tony Carey, Volker Lechtenbrink, Helen Schneider, Gunter Gabriel, JFK The Rockopera, Hannes Bauer und das Orchester Gnadenlos, Henning Venske und Axel Schulß...

Udo an Steffis Schreibtisch
Udo an Steffis Schreibtisch

... Panikorchester, Gebrüder Engel, Neuer Krug, Jovel Cinema, Neuer Krug, Café Kling Klang, Jovel Tonstudio, Jovel Records & Jovel Musicverlag, Peter Maffay Band, Jovel Music Hall-Germania Hof, Die Leeze, JFK the Rock Opera - Das legendäre Panikorchester, Eurocityfest Münster, Jovel Music Hall-Autohaus Kiffe, Udo Lindenberg Tour...


Quellen

Wilhelm Karkoska: Steffi Stephan - Aschendorff Münster

Steffi Stephan: www.steffistephan.de

Abbildungen: Steffi Stephan und Henning Stoffers

Collage: Wilfried ,Schrolli' Schroeder

Idee und Text: Henning Stoffers

 

Dank

Ohne Unterstützung hätte diese Geschichte nicht geschrieben werden können. Ich danke Steffi Stephan für seine Informationen und die Bereitstellung der Abbildungen. Spezieller Dank geht an Wilfried ,Schrolli' Schroeder für die Collage. Und danken möchte ich Heide Krede und insbesondere meiner Frau Gilla für die geleistete Unterstützung.