alte Stadtpläne ziehen uns nicht nur mit ihrem nostalgischen Reiz in den Bann. Wir suchen die Straße, in der wir wohnen, einst wohnten oder zu der ein besonderer Bezug besteht. Vielleicht gab es diese Straße vor 100 Jahren noch nicht, oder sie hatte einen anderen Namen.
Wie sich das Stadtbild über Jahrhunderte veränderte, verraten die hier gezeigten Pläne.
Mehr erfahren Sie in dieser Bildgeschichte.
Ihr Henning Stoffers
Stadtpläne und Einwohnerbücher sind stadtgeschichtliche Dokumente von großem historischen Wert. Viele Details der Bebauung, der Straßenführung, topografischer Umformungen (z.B. eines Flussverlaufs) etc. können mit ihren Veränderungen über Jahrhunderte nachvollzogen werden.
Dieser Aufsatz beschränkt sich auf nur wenige Karten, die aber beispielhaft einen Einblick in die Entwicklung unserer Stadt geben.
Dieser einzigartige Vogelschauplan von Münster wurde von dem Maler Everhard Alerdinck im Jahre 1636 geschaffen.
Münster hatte in jener Zeit etwa 10.000 Einwohner. Das Stadtgebiet, noch mittelalterlich geprägt, war von beeindruckenden Befestigungsanlagen - der heutigen Promenade - umgeben. Die Wassergräben, Mauern und Wehrtürme wurden stark überdimensioniert dargestellt, um mögliche Feinde abzuschrecken.
Die beiden obigen Ausschnitte zeigen beispielhaft den überaus großen Detailreichtum dieses Stadtplanes.
1839, 200 Jahre nach dem Alerdinck-Plan, zeigt sich Münster deutlich verändert. Dominant sticht das neuerrichtete Schloss mit seinem botanischen Garten hervor. Die alte Stadtbefestigung ist geschleift und durch den Promenadenring ersetzt. Außerhalb des Stadtgebietes sind hunderte kleine Parzellen für eine landwirtschaftliche Nutzung erkennbar.
Anzeichen der Ausweitung der Stadt durch eine Bebauung sind noch nicht festzustellen. Etliche Stadtbewohner waren sogenannte Ackerbürger, die im kleinen Rahmen Ackerbau und Viehzucht betrieben. So erinnert der Name der Kuhstraße daran, dass durch sie einst Kühe auf die Weide getrieben wurden.
Über Jahrhunderte lag die Stadt innerhalb des Befestigungsringes. Dies sollte sich aber mit der beginnenden Industrialisierung ändern.
Nur 30 Jahre später präsentiert sich Münster stark verändert. Der Bahnhof und das Zuchthaus sind gebaut; neue Stadtteile entstehen im Süden, Osten und Norden. Viele neue Straßen und Bahnlinien sind - auch handschriftlich vermerkt - projektiert in der Planung. Das Evangelische Krankenhaus befindet sich noch am Servatiitor. Der Zoo und der Zentralfriedhof existieren noch nicht.
Die Karte von 1892 verdeutlicht, wie dynamisch die Stadt weiter gewachsen ist. Eine raumgreifende Kaserne, die Trainkaserne, wurde zwischen dem Dahlweg und der Südstraße gebaut. Der Zentralfriedhof und der Zoologische Garten sind eingerichtet. Die Großbrauerei Westfalia auf der Höhe der Friedrichsburg hat ihren Standort gefunden. Und viele weitere Straßen, Gebäude und Einrichtungen sind fertiggestellt.
Ein großer Güterbahnhof ist entstanden. Östlich der Gleisanlagen siedeln sich Gewerbeunternehmen an, wie zum Beispiel die Dampfmühle Kiesekamp.
Der Dortmund-Ems-Kanal, der Hafen, die städtische Gasanstalt nebst Gasometer und das Elektrizitätswerk sind in der Planung und bereits mittels Bleistift eingezeichnet. Der damalige Inhaber des Planes notierte handschriftlich: ,NB*! Die Bleistifteintragungen sind 1897/1899/1900 hinzugekommen!'
*,NB' steht für nota bene: wohlgemerkt oder übrigens.
Nur 30 Jahre liegen zwischen beiden Kartenausschnitten. Die rasante Veränderung durch die Bebauung wird deutlich.
Die räumliche Distanz der umliegenden und inzwischen eingemeindeten Orte Kinderhaus, Handorf, Wolbeck, Albachten, Roxel und Nienberge zu Münster macht diese Darstellung von 1885 deutlich.
1925 sind weitere gravierende Veränderungen zu erkennen, und zwar der Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Dortmund-Ems-Kanal mit dem münsterschen Hafen. Das Schienennetz der Straßenbahn (seit 1902) ist eingezeichnet. Der Zentralfriedhof wurde um ein Begräbnisfeld erweitert. Viele Details, wie zum Beispiel Kasernen, der Flugplatz Loddenheide, neue Kirchen oder die Germania-Brauerei sind vermerkt.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurden sofort etliche Straßennamen geändert. Aus der Bahnhofstraße wurde die Adolf-Hitler-Straße, aus der Südstraße die Albert-Leo-Schlageter-Straße, aus der Hafenstraße die Horst-Wessel-Straße, aus der Nordstraße die Hermann-Göring-Straße und aus der Industriestraße (heute Friedrich-Ebert-Straße) wurde 1939 die Kirdorfstraße.
Straßenumbenennungen waren und sind keine Seltenheit. So wurde die Ludgeristraße von den Täufern in die Südstraße umbenannt. Auch in jüngster Zeit kam es zu Umbennungen. Beispiel: Der Hindenburgplatz (vormals Neuplatz) heißt heute Schlossplatz.
Auf dem Stadtplan von 1931 führt der Bohlweg bis zum Schifffahrter Damm. Als Österreich 1938 ans Deutsche Reich ,angeschlossen' wurde, war dieses Ereignis gefeierter Anlass, das Teilstück zwischen der Erphokirche und dem Schifffahrter Damm in die Ostmarkstraße umzubenennen. Aus gleichem Anlass kam es u.a. zum Namenswechsel der Gelmer Straße in die Wiener Straße.
Eine Besonderheit gab es bei den Plänen aus der Nazi-Zeit. Alle militärischen Einrichtungen wurden in diesen Karten nicht mehr benannt oder nicht mehr eingezeichnet (die obigen Kartenausschnitte zeigen Beispiele). Es ist anzunehmen und naheliegend, dass dies mit den Kriegsvorbereitungen zusammenhing.
Oft waren Stadtpläne den Einwohnerbüchern und für touristische Zwecke den Reiseführern beigefügt. Der nebenstehende Plan stammt aus einem kleinen Reiseführer und ist nur etwas größer als eine Postkarte.
Wer sich für eine Zeitreise in die Vergangenheit etwas Zeit nimmt und Münsters alte Straßen und Gebäude auf den Karten betrachtet, wird den steten Wandel unserer Stadt erspüren und viel Erstaunliches entdecken.
Quellen
Alerdinckplan: Vermessungs- und Katasteramt der Stadt Münster 8.5.2015, Kontrollnr. 6222.284.15
Stadtpläne: Sammlung Henning Stoffers
Idee und Text: Henning Stoffers