unsere Stadt hat eine Institution, die weit über Münsters Grenzen bekannt ist: Pinkus Müller.
Für viele Münster-Gäste gehört der Besuch des Brauhauses zum Programm. Ein Besucher sagte einmal: , Wer je in Münster war, aber nicht bei Pinkus Müller, der war nie in Münster.'.
Diese Bildgeschichte ist Carl ,Pinkus' Müller und seinem Brauhaus gewidmet. Es gibt hierfür auch einen besonderen Grund, denn 2016 steht das 200jährige Firmenjubiläum an.
Ihr
Henning Stoffers
Wir schreiben das Jahr 1816, die unruhigen Zeiten sind vorbei, die Franzosen sind abgezogen, und Münster ist Provinzialhauptstadt Westfalens geworden. 15.000 Einwohner zählt die Stadt.
In diesem Jahr zieht der 24jährige Johannes Müller aus dem Eichsfeld nach Münster, heiratet Friederika Cramer aus Brilon und betreibt in der Kreuzstraße 10 eine Bäckerei mit einer Brauerei. Dies sind die Anfänge der Brauerei und Gaststätte Pinkus Müller.
Es mag sich erstaunlich anhören, dass Bäckereien und Brauereien gemeinsam betrieben wurden. Bäcker und Brauer - diese beiden Berufe gehörten früher aus naheliegenden Gründen zusammen: Die Grundstoffe für die Herstellung von Brot oder Bier sind weitgehend gleich.
So ist der Gastraum von Pinkus Müller entstanden:
Im 19. Jahrhundert sind Bierkisten, die nach Hause transportiert werden, noch unbekannt. Wenn man zuhause sein Bier trinken möchte, geht der Weg zum nächstgelegenen Brauhaus. Dort wird das mitgebrachte Gefäß - zum Beispiel ein Bullenkopp mit 6 Litern oder ein Bennätzkes mit 3 Litern Fassungsvermögen - mit frischgezapftem Altbier aus dem Keller über eine Handpumpe gefüllt. Und wenn dann der Appetit auf das Bier besonders groß ist, wird an Ort und Stelle ein tiefer - oder es werden gleich mehrere tiefe Züge - zu sich genommen. Dies geschieht in der Altbierküche. Weil der Genuss im Stehen aber nicht so gemütlich ist, stellt der Wirt Bänke und Stühle auf. Tische kommen hinzu. Da der Biergenuss aber bekanntermaßen auch hungrig macht, werden deftige Speisen angeboten.
Es ist daher nicht verwunderlich, wenn ein Gast nach gemütlichem Aufenthalt in der Altbierküche oft mit leerem Krug - aber allerfröhlichst - nach Hause zurück gekehrt ist.
Ein Knabe erblickt im Jahre 1899 das Licht der Welt: Carl Müller. Geboren im Hause an der Kreuzstraße 10, der Stammhalter in 4. Generation. Noch ahnt niemand, welche besonderen Gaben ihm in die Wiege gelegt worden sind.
Für Carl ist das Gymnasium nichts, es liegt ihm einfach nicht. Um ein tüchtiger und guter Mensch zu sein, bedarf es keiner guten Noten, so ist seine Meinung. Er hält mehr vom Praktischen und arbeitet bereits in jungen Jahren im elterlichen Betrieb.
Nun fragen Sie, wie aus dem Carl ein Pinkus geworden ist. Eine nette kleine Geschichte, bei der eine alte Gaslaterne, ein Bullenkopp und ein menschliches Bedürfnis eine besondere Rolle spielen:
Als Quartaner stibitzt er - verleitet von seinen beiden Freunden - zuhause einen Bullenkopp, der gemeinsam geleert wird. Pro Kopf sind es immerhin zwei Liter Altbier, die nach einer gewissen Zeit den menschlichen Körper wieder verlassen möchten. An der Promenade kommt ihnen die Idee, einen kleinen Wettbewerb auszutragen: Wer schafft es, sein Wasser an einer Gaslaterne am höchsten los zu werden? Carl trifft das Glas der Gaslaterne. Das heiße Glas zerspringt, eine Scherbe fällt auf die Flamme, und das Licht erlischt.
Diese Meisterleistung ist am nächsten Tag bei den Quartanern in aller Munde. Man gibt ihm den latinisierten Namen Pinkulus, aus dem später Pinkus wird.
In der elterlichen Altbierbrauerei macht Pinkus eine Lehre zum Gesellen des Brauer- und Mälzerhandwerks. In dieser Zeit zeigt sich immer mehr seine besondere Begabung für den Gesang. Diese Gabe hat er von seinem Vater geerbt, denn dieser war neben seinem Wirts- und Brauerberuf begeisterter Sänger.
Pinkus geht nach München, um sich dort zum Braumeister ausbilden zu lassen. Ein Kammersänger wird auf sein sonnenklares Stimmpotential aufmerksam und erteilt ihm Gesangsunterricht. Als
Gegenleistung hackt Pinkus für den Kammersänger Holz. Seine finanziellen Mittel sind zu knapp, um ihn mit Geld zu bezahlen.
Erfolgreich beendet Pinkus seine Ausbildung zum Braumeister, und erfolgreich verläuft seine Gesangskarriere - als ,der singende Bierbrauer'.
Im Stadttheater Münster wirkt Pinkus Müller in Mozarts Zauberflöte mit. Nach dem Programmzettel hat er die Rolle des 1. Geharnischten. Bei den ersten Versuchssendungen des neuen Senders ,Münster auf Welle 407' im Jahre 1924 macht er mit und ist später regelmäßig im Rundfunk zu hören. Hinzu kommen Gesangsauftritte, nicht nur in Münster, sondern auch in Berlin, München und den Niederlanden.
Eine kleine Kostprobe seines Gesanges kann hier aufgerufen werden. Es ist ein Karnevalslied aus dem Jahre 1938.
Besonders gern singt Pinkus - wie auf dem Bild zu sehen ist - vor seinen Gästen.
Mitte der 30er Jahre ist Pinkus Müller Chef des Brauereibetriebes und der Altbierküche im Herzen des Kuhviertels. Unter seinen Gästen fühlt sich Pinkus wohl und er serviert persönlich sein gebrautes Altbier. Hin und wieder stimmt er ein fröhliches Lied an, dem seine Gäste begeistert lauschen.
Die Müllersche Altbierküche gehört nunmehr zu den Mittelpunkten des gesellschaftlichen Lebens in Münster. Es gründet sich der Freundeskreis Pinkus Müller.
Man trifft sich hier in fröhlicher Runde, diskutiert über aktuelle Themen, Pläne werden geschmiedet, und Neuigkeiten nebst Gerüchten werden ausgetauscht. Es ist eine ,Brutstätte' für kulturelle und kommunalpolitische Ideen und Initiativen. Und mittendrin ist immer Pinkus, der die Menschen mit seiner humorigen Art für sich einnimmt.
Eine andere Leidenschaft gilt dem Karneval. Wie sein Vater ist er Mitglied bei der Karnevalsgesellschaft ,Freudenthal'. Gleich dreimal hintereinander ist Pinkus Münsters Karnevalsprinz. Er singt mit seinem strahlenden Tenor auf vielen Veranstaltungen. In der Halle Münsterland sind 6000 Karnevalisten seine begeisterten Zuhörer.
Nach dem Krieg läuft der Gaststättenbetrieb trotz aller Schwierigkeiten - etwas eingeschränkt - weiter. Pinkus Müller setzt sich engagiert mit seinem Freundeskreis für den Wiederaufbau der Stadt ein. Mit Konzerten und Liederabenden erfreut Pinkus die Besucher. Der Erlös wird für den Wiederaufbau des Domes, des Rathauses und für den Neubau des Theaters verwendet.
Zum 70. Geburtstag bekommt Pinkus Müller die Paulus-Plakette der Stadt Münster - eine besondere Ehrung für verdiente Bürger.
Pinkus Müller zieht sich peu à peu aus dem Geschäft zurück. Sein Sohn Hans wird der neue Chef, der auf seine Art die Brauerei modernisiert. Es gibt das erste Öko-Bier, womit eine Marktnische besetzt wird.
Pinkus Müller stirbt achtzigjährig am 1.9.1979.
Sein Lebenswerk zeugt auch heute noch von einem großartigen Menschen: einem tüchtigen Handwerker und Kaufmann, einem begnadeten Sänger, einem großzügigen Gastgeber.
Pinkus Müllers Sohn Hans, heute 86 Jahre alt, hat das Unternehmen weiter voran gebracht. Die von ihm gesetzten Akzente prägen bis heute das Brauhaus. Seine Frau Annemarie stirbt vor 2 Jahren.
Die jüngste Tochter Barbara übernimmt 1998 von ihren Eltern Hans und Annemarie Müller Gaststätte und Brauerei. Inzwischen werden 14 Biersorten angeboten. Eine neue Flaschenfüllanlage steht in
Laer.
Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Brauereiingenieur Friedhelm Langfeld, sorgt Barbara Müller mit ihren Mitarbeitern für das Wohl der Gäste.
In Münster gab es in den Jahren 1870 bis 1919 insgesamt 51 Altbierbrauereien. Pinkus Müller ist die einzige Brauerei, die heute noch existiert.
Das 200-jährige Firmenjubiläum steht im Jahre 2016 an.
Es ist zu wünschen, dass Pinkus Müller unserer Stadt noch lange erhalten bleibt.
Dank
Ein herzliches Dankschön für die Bereitstellung des Fotomaterials geht an Herrn Brauereiingenieur Friedhelm Langfeld - Familie Müller.
Quellen
Familie Müller: Fotos soweit nicht anders gekennzeichnet.
Henning Stoffers: Text und Fotos wie gekennzeichnet