im Februar 2019
nun folgt der 2. Teil der Kinogeschichten. Ich wünsche Ihnen einen angeregten und vergnüglichen Spaziergang durch Münsters Kinogeschichte.
Von einigen Kinos (z.B. Metropol oder Camera) liegt leider kein Fotomaterial vor. Vielleicht haben Sie eine Aufnahme, die Sie mir zur Verfügung stellen können. - Den 1. Teil finden Sie hier.
Ihr Henning Stoffers
Das Freilichtkino Gertrudenhof 1947 - Foto Hanns Eckelkamp
Münsters vier Lichtspielhäuser wurden im Krieg zerstört. Nach Kriegsende dachte zunächst niemand an einen Kinobesuch. Mit der allmählichen Normalisierung des Lebens wuchs der Wunsch nach Entspannung, sich zum Beispiel einen Film im Kino anzusehen.
1946 wurde in Mecklenbeck das ,Roxy' eröffnet, es folgten die ,Gertrudenhof-Lichtspiele' im alten Tanzsaal an der Warendorfer Straße. In der Nazizeit war der Saal Sammelstelle für Juden zur Deportation in die Konzentrationslager. Eine Gedenktafel erinnert heute an dieses Verbrechen.
Im Juli 1947 öffnete der ,Neue Krug' seine Türen. Im März 1948 war das ,Apollo-Theater' wiederaufgebaut, 1950 folgte das neuerrichtete Capitol-Theater'. 1951 wurden das ,Roland-Theater' und die ,Schauburg' wieder eröffnet. Münster hatte zu diesem Zeitpunkt mehr als 6.100 Kinoplätze.
Die Projektoren waren in diesen Jahren schwere, komplizierte Geräte, für die ein ausgebildeter Filmvorführer erforderlich war (sh. nebenstehendes Bild). Inzwischen gibt es die gute alte ,Filmrolle' nicht mehr. Die Digitalsierung hat Einzug gehalten. Nunmehr kommen die Filme von einer Festplatte, aber nur noch für kurze Zeit. Demnächst gibt es den Abruf direkt per Stream aus dem Internet.
Es war nicht einfach, erfolgreich ein Kino zu betreiben. Neben Spitzenfilmen mussten weniger interessante Titel vom Kinobetreiber abgenommen werden. Das nachstehende Dokument beschreibt dies eindrucksvoll.
Im Laufe der folgenden Jahre gab es einen wahren Neubauboom. Es entstanden unter anderem: Das ,Residenz-Theater' an der Hammer Straße, der ,Fürstenhof' an der Ludgeristraße, das ,Schlosstheater' an der Melchersstraße, das ,Metropol' am Alten Steinweg, das ,Ali' und das ,Rex' (später ,Metropolis') am Bahnhof, die ,Camera' an der Grevener Straße und das ,Cinema' an der Warendorfer Straße. Nicht zu vergessen ist das ,Globe' an der Eisenbahnstraße/Ecke Wolbecker Straße, das ursprünglich nur für Angehörige der britischen Rheinarmee bis Ende der 1970er Jahre zur Verfügung stand.
Die Vielzahl der nach dem Krieg entstandenen Kinos zeigt, wie groß der Wunsch nach Unterhaltung und Entspannung war. Der Getrudenhof meldete imposante 2.000.000 Besucher für die Zeit von der Eröffnung im Jahre 1946 bis zur Währungsreform 1948.
Es war nach den Jahren der Tyrannei und des Krieges die Zeit der Liebes- und Heimatfilme. In den 1950er Jahren wurden Hunderte dieser Filme produziert. Das Fernsehen war noch nicht verbreitet, und andere Ablenkungen vom Tagesalltag gab es nicht. Da die Kinos meistens voll besetzt waren, mussten die Kinokarten rechtzeitig ergattert werden.
Der Gertrudenhof und die Camera hatten mit ihren angegliederten Freilichtkinos für wenige Jahre eine besondere Attraktivität.
Ende der 1960er Jahre kamen die Aufklärungsfilme von Oswald Kolle, denen Werke wie ,Liebesgrüße aus der Lederhose' und ,Schulmädchenreport' folgten. Diese waren Filme für das ,Rex' und das ,Ali' am Bahnhof.
Das Kinoprogramm 1950
Jedes Kino hatte sein spezielles Programm. Das ,Roland-Theater' und die ,Schauburg' waren Premierenkinos mit Filmen bester Qualität. Dagegen liefen beispielsweise im ,Metropol' zweit- und drittklassige Western.
Es waren auch die Jahre, als gegen ,Schmutz und Schund' gewettert wurde. Von der katholischen Kirche gab es einen peniblen Kriterienkatalog (leider in meinem Archiv nicht mehr auffindbar), welcher Filme nach Sittlichkeit und der Vereinbarkeit mit den kirchlichen Grundsätzen beurteilte.
1963 lief im Gertrudenhof einer der meistdiskutierten Skandalfilme jener Zeit: ,Das Schweigen'. Man wollte sogar die Zensur für solche Filme einführen. Die beste Werbung für einen Film.
Als 19jähriger Jüngling musste ich diesen Film unbedingt sehen. Ob er mich besonders berührte oder beindruckte, kann ich heute nicht mehr sagen. Als ich dann das Kino verließ, kam gleichzeitig meine Mutter aus dem Nebenausgang. Wir sahen uns an. Schweigen. - Über diesen unfreiwillig gemeinsamen Kinobesuch wurde nie gesprochen, eigentlich schade... Es waren die prüden Jahre.
Ein Kino nach dem anderen schloss seine Pforten. Auf dem Gelände des ,Getrudenhofes' entstand nach dem Abriss ein Wohn- und Geschäftshaus. Titus übernahm das ,Apollo'. In anderen Häusern entstanden Supermärkte und Geschäfte.
Parallel zur Schließung der Kinos begann das Kneipensterben.
Mit den Jahren kehrte Wohlstand ein. Das Fernsehen verbreitete sich, und Urlaubsreisen waren finanziell möglich. Und so verlor das Kino mehr und mehr an Attraktivität, was sich an der abnehmenden Zuschauerzahl zeigte. Auch die deutsche Filmproduktion befand sich in einer tiefen Krise. Ein langsames Kinosterben begann.
Der ,Neue Krug' hieß ab 1968 ,Cinema-Neuer Krug'. Es war das Geburtsjahr des Programmkinos ,Cinema'. Als 1979 der Pachtvertrag für das ,Cinema-Neuer Krug' an der Weseler Straße auslief, war die Zukunft des kleinen Kinos ungewiss.
Es fand sich 1980 ein neuer Standort in der Warendorfer Straße. Das Programmkino mit seinem angeschlossenen Café Garbo feiert in diesem Jahr sein 50jähriges Jubiläum.
Im Dezember 1979 eröffnete Steffi Stephan im ,Neuen Krug' sein erstes ,Jovel'.
Um dem Niedergang entgegenzuwirken, hatte der Kinounternehmer Heinz Riech die Idee, einen großen Kinosaal in mehrere unterschiedlich große Säle aufzuteilen. Ein Film, der zunächst im größeren Saal gezeigt wurde, konnte bei nachlassender Zuschauerzahl in einem kleineren Saal weiterlaufen. Die Verwertung war durch die entstandene Flexibilität somit optimal.
Die Idee des sogenannten ,Schachtelkinos' wurde von anderen Kinobetreibern übernommen. Die neuen Kinocenter boomten, zumal sich auch das Filmangebot qualitativ verbesserte.
Ein Kinobesuch ist immer mit vielfältigen Erwartungen erfüllt. Man wollte unterhalten und ergriffen werden, mitleiden, sich amüsieren oder seine Neugierde befriedigen, und dies am liebsten zu zweit.
Die alten Kinos hatten eine gewisse ,Plüschigkeit' und Behäbigkeit. Im Vorraum hingen große Plakate bereits gezeigter Filme, und an einer kleinen Theke konnten Naschereien erworben werden.
Nach der Werbung folgte die ,Fox Tönende Wochenschau' mit Neuigkeiten aus aller Welt, und vor dem Hauptfilm kam der Vorfilm - man sagte damals ,Kulturfilm' - mit Themen aus der Kunst, Kultur, Geografie oder aus dem Tierreich. Das ganze Vorprogramm konnte ein halbe Stunde dauern, bevor der Film begann, für den gezahlt worden war.
Dann schloss sich endlich der schwere Bühnenvorhang. Feierlich erklang ein dumpfer, dreifacher Gong, der Vorhang öffnete sich wieder, und der ungeduldig erwartete Film begann.
Immer hoffte ich, dass der Stuhl vor mir frei bleiben würde oder nur von einer kleinen Person besetzt werden würde. Vergeblich, entweder saß ein großer Mann oder eine Frau mit hochtoupierten Haaren vor mir. Und wenn geknistert wurde, dann immer in meiner nächsten Nähe...
Von den vielen Lichtspielhäusern sind nur das ,Schlosstheater' und das ,Cinema' als Programmkinos geblieben. Beide Kinos haben unterschiedlich große Säle.
Das neuerbaute Schlosstheater war 1953 an den Start gegangen und richtet sich mit seinem besonderen Niveau an ein anspruchsvolles Publikum. Dieses Kino steht inzwischen unter Denkmalschutz.
Das moderne Multiplexkino ,Cineplex' mit mehr als 2.700 Plätzen öffnete im Jahre 2000 seine Pforten.
Zu diesem Zeitpunkt schlossen das ,Apollo-Theater' und der ,Fürstenhof'. Das ,Roland', das ,Metropolis (vormals ,Rex')' und das ,Stadt New York' (vormals Schauburg) folgten.
Der traditionelle Kinobetrieb hatte sich gravierend gewandelt.
In der Eventreihe werden neben Konzertübertragungen ausgesuchte Filme oder Lichtbildervorträge angeboten, wie zum Beispiel meine Vorträge über das alte Münster. Wenn zur Weihnachtszeit Ulrich Schamonis Kultfilm ,Alle Jahre wieder' von 1967 mit dem großartigen, unvergessenen Busso Mehring gezeigt wird, sind die Vorstellungen des münsterschen ,Heimatfilms' ausverkauft.
Mehr als ein Jahrhundert wechselhafter Geschichte liegen hinter den münsterschen Lichtspielen. Die Kinos sind fester Bestandteil der Unterhaltung und unseres kulturellen Lebens geworden. Mit zunehmender Digitalisierung entstehen inzwischen neue Unterhaltungsmedien. Und so werden sich auch unsere Kinos weiter wandeln, wie sie es bereits seit mehr als 110 Jahren getan haben.
Peter Michael Schulte aus Unna-Massen schrieb:
Wie war das mit dem GLOBE?
1968, als 15jähriger, ging man auf Anraten der Lehrer ins GLOBE, um - zumindestens offiziell - das Schulenglisch zu verbessern. Ich entsinne mich noch sehr gut an meinen ersten GLOBE-Besuch. Wir saßen in den Kinosesseln, die Vorstellung begann, das Bild der Queen erschien, und es wurde "GOD SAVE THE QUEEN" gespielt. Wir blieben natürlich sitzen, ...aber - nach dem 2. Ton - eine starke Hand fasste uns von hinten an den Kragen und ein Befehlston erreichte unsere Ohren: STAND UP.
Wir waren danach noch oft im GLOBE, aber jedes Mal, wenn die Queen auf der Leinwand erschien ... wir standen und summten leise "GOD Save the Queen" mit ... und anschließend versuchten wir auf indirekten Wegen zu den Produkten aus den NAAFI shop zu bekommen.
Friedrich Schumacher aus Greven schrieb:
Das Metropol konnte übrigens sehr wohl CinemaScope-Filme spielen, allerdings war die Bildwand dort sehr klein und seitlich auch etwas beschnitten. Das Kino gehörte der Familie Eckelkamp, die auch die Camera und das Filmstudio Gertrudenhof betrieb. Im Metropol konnten die weniger attraktiven Filmtitel abgespielt werden, zu deren Buchung in „Verleihstaffeln“ Kinobetreiber gezwungen waren.
Die von-Meerscheidt-Kinogruppe (Westdeutsche Filmtheaterbetriebe mit Roland, Fürstenhof, Schlosstheater) hatte zu gleichem Zweck seinerzeit die Stadtrandkinos Residenz und Neuer Krug.
Wilfried ,Schrolli' Schroeder hat seine Kino-Erinnerungen niedergschrieben. Klicken Sie hier. Alte Kinoprogramme sehen Sie hier. Den 1. Teil der Kinogeschichten finden Sie hier.
Quellen
Wiltrud Henningsen: Die Entstehung der Kinos in Münster - 1992
Westfälische Nachrichten 1.7.1952
Grafiken: Wilfried ,Schrolli' Schroeder
Fotos: Henning Stoffers, sofern nicht anders angegeben
Idee und Text: Henning Stoffers
Dank
Für die großartige Unterstützung danke ich Wiltrud Henningsen, Klaus Drühe, Klaus-Peter Heß, Jochen Thiele, Hanns Eckelkamp, Bernd Schürkötter, Carsten Krystofiak und Wilfried ,Schrolli' Schroeder.