im Januar 2019
erinnern Sie sich noch an Münsters alte Kinos? Ihr Lieblingskino wird nicht mehr existieren, es sei denn, es ist das Schlosstheater oder das Cinema.
Als ich mit der Recherche für diese Bildgeschichte begann, war ich erstaunt, wie wenige Fotos, Dokumente und Informationen zu finden waren. Dies ist insbesondere auch deswegen bemerkenswert, weil Lichtspielhäuser über ein Jahrhundert vielgeliebte Orte der Kultur, der Unterhaltung und der Begegnung waren.
Einiges konnte ich dank großzügiger Unterstützung zusammentragen. Hier nun der 1. Teil meines Streifzuges durch Münsters Kinogeschichte.
Ihr Henning Stoffers
Wilfried ,Schrolli' Schroeder hat seine Kino-Erinnerungen niedergschrieben. Klicken Sie hier. Teil 2 der Kinogeschichten finden Sie hier.
Mit seinen Augen erkennt und erlebt der Mensch die Welt. Über dieses einzigartige Sinnesorgan werden die verschiedenen Lichtreize aufgenommen, die im Gehirn das Bild des Gesehenen entstehen lassen.
Die Malerei und Bildhauerei waren die erste Formen, Gegenstände, Landschaften und Personen mehr oder weniger naturgetreu zur späteren Betrachtung festzuhalten. Die Erfindung der Fotografie zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellt den Meilenstein auf dem langen Weg zu den bewegten Bildern dar. Mit einfachen, aber raffinierten Vorrichtungen konnten sogar stereoskopische Bildserien gezeigt werden. Und als es dann soweit war, einzelne Bilder fortlaufend auf eine Leinwand zu projizieren, war der Kinofilm erfunden.
In den Jahren der Vorkinozeit gehörte das Zeigen von mehr oder weniger bewegten Bildern zum wandernden Gewerbe. Auf Jahrmärkten, in Sälen und in Hinterzimmern von Gaststätten zeigten umherziehende Vorführer kurze Bildsequenzen, natürlich noch ohne Ton und in stark ruckelnden Bildern. Erst als die Vorführer Räumlichkeiten dauerhaft mieteten, entstanden die Kinos als feste, längerfristige Einrichtung.
Waren es zunächst lediglich Bildsequenzen niedrigen Niveaus, änderte sich die inhaltliche und künstlerische Qualität, so dass auch gebildetere Bevölkerungsschichten erreicht werden konnten.
Als erster Film wurde ,Der Räuberhauptmann von Köpenick' gezeigt. Die Geschichte drehte sich um den Schuhmacher Voigt, der sich als Hauptmann verkleidete und mit einigen Soldaten das Köpenicker Rathaus besetzte. Diese herrliche Gaunerkomödie beherrschte damals die Schlagzeilen. Der Film war somit ganz aktuell und begeisterte das münstersche Publikum.
Am 11.11.1906 war es soweit: Münster bekam sein erstes, festes Kino, und zwar im Hause der Ludgeristraße 28a. Das ,Ludgeri-Theater' hatte 300 Plätze, firmierte etwas später in ,Tonbild-Theater' um, und einige Jahre weiter wurde daraus das ,Capitol'. Inhaber waren die Herren Wiedau und Weiland. Das Eintrittsgeld betrug je nach Platz 30 oder 50 Pfg, Soldaten und Kinder zahlten die Hälfte.
Die Geschäfte gingen offensichtlich sehr gut, so dass Wilhelm Wiedau bereits ein Jahr später (1907) auf dem Prinzipalmarkt 34 (heute Zumnorde) ein weiteres Kino - das ,Prinzipal-Theater' - eröffnen konnte.
Und das 3. Kino folgte noch im gleichen Jahr: Das ,Central-Theater' in der Salzstraße/Ecke Winkelstraße. Das Kino befand sich im hinteren Teil des Hotel-Restaurants ,Stadt New York'. Das ,Central-Theater' muss sich aber nicht gelohnt haben, so dass es einige Monate später aufgegeben wurde. Später gab es an dieser Stelle wieder ein Kino: die ,Schauburg'. Zuletzt hieß es ,Stadt New York'.
Wiedau hatte mit seinen beiden Kinos keine Konkurrenz in Münster. Dies änderte sich 1910 drastisch, als Christian Winter nach Münster kam und in der Salzstraße 25 sein ,Lichtspielhaus' mit 400 Plätzen eröffnete. Es gab eine Heizung und Ventilatoren, das Programm wechselte häufig, und für die musikalische Untermalung waren Musiker eingestellt.
Wiedau versuchte durch Preisermäßigungen und mit Freikarten dagegen zu halten, was ihm aber nicht gelang. 1912 verließ er Münster und eröffnete in Emsdetten ein Kino.
Ein kleines Orchester, ein Klavier- oder ein Geigenspieler begleitete den Film musikalisch. Es wurde auf die Pauke gehauen und in höchsten Tönen gefiedelt, ...wie es eben am besten passte. Ein mehr oder weniger begnadeter Redner erklärte die einzelnen Szenen: ,Jetzt wird die arme Gräfin ohnmächtig, kalter Schweiß bildet sich auf ihrer edlen Stirn, und röchelnd haucht sie ihr verruchtes Leben aus...'. Der Klavierspieler unterstrich die Dramatik mit düsterer Trauermusik. Das Publikum war zutiefst beeindruckt, und manche Träne floss.
Der Zuschauer saß auf einem einfachen Stuhl, das Licht ging aus, und auf der Leinwand begann es zu flimmern. Die Vorstellungen dauerten nicht länger als 20 Minuten. Die Filme wurden vom Kinobesitzer meterweise gekauft, 1 Mark pro laufender Meter. Nach einer fünfwöchigen Spielzeit war das Material nicht mehr einsetzbar, weil vor ,Regen' nichts mehr zu sehen war.
Nach der großen Zeit des deutschen Stummfilms hielt 1929 der Tonfilm triumphalen Einzug. Am 1.11.1929 wurde in Münster der amerikanische Tonfilm ,Der singende Narr' uraufgeführt. Münsters Bevölkerung war begeistert. Die Filmmusik wurde ein Gassenhauer.
Einige Monate später kam der Tonfilm ,Die Nacht gehört uns' mit Hans Albers im ,Roland-Theater' zur Aufführung.
Das ,Roland-Theater' entstand 1920 an der Bahnhofstraße . Ein Großkino mit 1.200 Plätzen. In den Jahren 1927 bis 1933 hieß es ,Emelka-Theater', bis man zum alten Namen zurückkehrte.
In den Jahren 1921-1922 baute Christian Winter auf dem Grundstück nach Abriss der Gaststätte ,Stadt New York' die ,Schauburg' mit mehr als 800 Plätzen.
In späteren Jahren wurde das Kino in ,Stadt New York' zur Erinnerung an die Gaststätte umbenannt.
In der Schauburg gab es neben Konzerten und anderen Veranstaltungen auch Varietè-Aufführungen mit kleinwüchsigen Menschen - damals nichts Ungewöhnliches und Problematisches. Und natürlich ließen es sich die damaligen Filmstars, wie zum Beispiel Zara Leander, nicht nehmen, bei Filmpremieren anwesend zu sein.
Das ,Apollo-Theater' mit mehr als 900 Plätzen wurde 1937 von Christian Winter erbaut.
Münster hatte in dieser Zeit 4 große Kinos mit fast 4.000 Plätzen: Das ,Capitol', das ,Roland-Theater', die ,Schauburg' und das ,Apollo-Theater'.
Wilfried ,Schrolli' Schroeder hat seine Kino-Erinnerungen niedergschrieben. Klicken Sie hier. Teil 2 der Kinogeschichten finden Sie hier.
Friedrich Schumacher hat einige interessante Details zur Schauburg aufgeschrieben. Ein herzliches Dankeschön geht an Herrn Schumacher.
1923 wurde in Münster Christian Winters Filmpalast Schauburg (großes Varietétheater, später „Stadt New York“) mit dem neuen Mechau-Projektor Modell III als Pilotinstallation ausgestattet. Die Düsseldorfer Westdeutsche Filmzeitung berichtete damals vom Prominentenandrang bei der Präsentation. Gezeigt wurde der Spielfilm "Geyer-Wally" mit Henny Porten, die sogar nach Münster kam. Erfinder Emil Mechau persönlich präsentierte sein Gerät zu recht als Meisterwerk der deutschen optischen / feinmechanischen Industrie.
Mechau-Projektoren hatten den Nachteil, sehr lichtschwach zu sein. Außerdem benötigten sie sehr viel Standfläche und waren deutlich teurer als Projektoren mit Malteserkreuzgetriebe. Die im Artikel betonte Flimmerfreiheit war damals schon kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Ihre wirkliche Bedeutung bekamen Mechau bzw. sein Spiegelpatent mit der Fernseh-/Bildtelefonienutzung. Dabei war das Helligkeitsproblem belanglos.
In vielen Kinos wurden Mechau-Projektoren für 35 mmm Film anfangs der 30er Jahre mit Lichttongeräten nachgerüstet und noch lange genutzt.
Quellen
Wiltrud Henningsen: Die Entstehung der Kinos in Münster - 1992
Westfälische Nachrichten 1.7.1952
Grafiken: Wilfried ,Schrolli' Schroeder
Fotos: Henning Stoffers sofern nicht anders angegeben
Idee und Text: Henning Stoffers - Frühjahr 2018
Dank
Für die großartige Unterstützung danke ich Wiltrud Henningsen, Klaus-Peter Heß, Bernd Schürkötter und Wilfried ,Schrolli' Schroeder.