Katholikentage haben in Münster fast schon Tradition. In unserer Stadt hatten wir sie mehrfach zu Gast, und es waren stets bedeutende Ereignisse. Nach 88 Jahren kommt der Katholikentag wieder nach Münster.
Dieser Rückblick handelt von dem letzten Katholikentag aus dem Jahre 1930 und von einem geplanten, der wegen Kriegsbeginn ausfallen musste. - Wie es damals war, lesen Sie in dieser Bildgeschichte.
Ihr Henning Stoffers
Ursprünglich waren es jährliche Zusammenkünfte römisch-katholischer Vereine, zu denen Delegierte und Priester entsandt wurden. Die erste Veranstaltung fand 1848 in Mainz statt. Münster war in den Jahren 1852,1885 und 1930 Gastgeber. Der in Münster geplante Kirchentag 1914 fiel wegen Kriegsbeginn aus
Zunächst waren es überwiegend jährliche Treffen, die nur ausnahmsweise und in Kriegsjahren ausgesetzt wurden.
Die Generalversammlungen, so wurden sie genannt, fanden auch außerhalb Deutschlands statt, zum Beispiel in Prag und in Salzburg.
Die Teilnehmerzahlen stiegen im Laufe der Jahre stark an. Waren es anfangs um die 200-300 Besucher, konnten später hin und wieder 100.000 - 200.000 Gäste gezählt werden. Es sind Großveranstaltungen geworden, die auch für die örtliche Wirtschaft der Gastgeberstädte bedeutsam waren.
Bedeutsam waren sie aber insbesondere wegen ihrer Impulse, die von ihnen ausgegangen waren. In Diskussionen zu aktuellen gesellschaftlichen, kirchlichen, kulturellen und politischen Themen tauschten sich Vertreter der Kirchen, der Politik und der Wissenschaft aus. Die Veranstaltungen waren für die Teilnehmer auch Orte der Gemeinsamkeit, der Spiritualität, der Aufgehobenheit und des emotionalen Erlebens im christlichen Glauben.
Für die Zeit vom 9. bis 13.8.1914 war die Versammlung in Münster geplant. Alle Vorbereitungen hatte man getroffen, als am 1.8.1914 der 1. Weltkrieg ausbrach.
Ein neuer Stadtführer mit außergewöhnlich viel Werbung war bereits gedruckt worden.
Die Kaufleute versprachen sich beste Geschäfte durch die vielen Besucher.
Münsters Bischof Johannes Poggenburg regte an, die 69. Generalversammlung der Katholiken in Münster stattfinden zu lassen, und zwar vom 4.9. bis 8.9.1930.
Unter der Leitung von Bischof Poggenburg gründete sich am 9.3.1930 das Lokalkomitee, das etliche Unterkomitees für die weiteren Vorbereitungen beauftragte. Voraus ging ein Pontifikalamt mit dem gesamten Domklerus: ,Heißes Flehen ging zu Gott, dass er die Vorbereitungen ... mit seinem Segen begleiten möge.'
Nur ein halbes Jahr betrug die Zeit, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Ein schier fast unüberwindbarer Berg inhaltlicher und logistischer Aufgaben musste erledigt werden, die vielleicht mit denen für den Kaiserbesuch im Jahre 1907 vergleichbar waren.
Die Unterkomitees hatten ein Ehrenpräsidium, ein Lokalpräsidium, eine Redner-, Presse-, Altar-, Finanz-, Ordnungs- und Festkommission und eine Vielzahl weiterer Organisationsabteilungen. Alles was in Münster Rang und Namen hatte - an die 500 Männer und Frauen werden es gewesen sein - war in diesen Komitees vertreten, ...ähnlich wie beim Besuch des Kaisers vor 23 Jahren.
Vielfältige Aufgaben waren zu regeln. Einige Beispiele: Ein detailliertes Festprogramm mit der Bereitstellung der erforderlichen Örtlichkeiten musste erstellt werden. Eingerichtet wurde ein Sonderpostamt. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit war zu gewährleisten. Für die Pressearbeit waren entsprechende Arbeitsmittel bereitzustellen.
Es gab Aufrufe an die Bevölkerung, Schlafgelegenheiten für die Besucher bereitzustellen. Die Kapazitäten der An- und Abreise zehntausender Besucher per Reichsbahn und Straßenbahn mussten bedacht werden. Und, und...
Mehr als 80 Veranstaltungen wies das Mammutprogramm auf. Und viel Prominenz aus dem In- und Ausland wurde erwartet.
1930 standen drei Großveranstaltungen an: der Verbandstag der Feuerwehren, die internationale Freiballonwettfahrt mit dem Zeppelin und der Katholikentag.
Der neue Bahnhof war kurz vor der Fertigstellung und konnte am 7.9. seine erste Bewährungsprobe mit mehr als 113.000 Besuchern bravourös bestehen. Die Reichsbahn setzte allein an diesem Tage 98 Sonderzüge ein.
Münster hatte damals 120.000 Einwohner. Auch vor diesem Hintergrund ist die Organisationsleistung und Gastfreundschaft der münsterschen Bevölkerung bemerkenswert.
Die Liste der hochrangigen Persönlichkeiten des öffentlichen und des kirchlichen Lebens, Präsidenten, Ministerialen und Professoren war lang.
Hier ein kleiner Auszug:
Reichskanzler Heinrich Brüning, Reichskanzler a.D. Wilhelm Marx, Zentrumsabgeordnete Helene Weber, der Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo und der Münchener Kardinal Michael von Faulhaber.
Papst Pius XI. schickte eine Grußadresse mit seinem apostolischen Segen.
Der Kirchentag stand unter dem - auch heute noch aktuellen - Leitwort des Hl. Augustinus:
,Siegen kann nur die Wahrheit, der Sieg der Wahrheit aber ist die Liebe.'
Die Generalversammlung begann mit einem ,Vorprogramm' bereits am 2.9. mit der Sitzung des Zentralkomitees der Katholiken im Hotel Fürstenhof. Am folgenden Tag fand der ,Vertretertag' mit 10 Arbeitsgruppen statt. Es wurde über Erziehung, Schulen, Jugendverbände, Kultur etc. diskutiert.
Es gab Festansprachen, man traf sich im Civilclub zum geselligen Beisammensein, Pontifikalämter und Festgottesdienste wurden gehalten. Das Stadttheater führte ein Mysterienspiel auf. Und es gab Übertragungen im Radio.
Es waren politisch aufgeheizte, unruhige Zeiten. Die Weimarer Republik stand in der Weltwirtschaftskrise unter großem Druck. Reichskanzler Brüning verordnete rigorose Einsparungen. Steuern und Abgaben wurden erhöht, Gehälter öffentlich Bediensteter massiv gekürzt. Es herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit mit mehr als 25 Prozent.
Die angespannte politische Situation hatte Einfluss auf diesen Katholikentag, was sich in einigen Beiträgen auch zeigte. Die politischen Lager standen sich ideologisch konträr gegenüber. Zudem fand der Katholikentag eine Woche vor den Reichstagswahlen statt, also in der heißen Phase des Wahlkampfes. Mit einem enorm gestiegenen Stimmenanteil gingen die Nationalsozialisten aus der Wahl hervor.
Der Höhepunkt war am Sonntag, den 7.9. An die 130.000 Teilnehmer waren an diesem Tage nach Münster gekommen. Die Stadt zeigte sich mit Fahnen und Girlanden im Festschmuck. Um 11 Uhr fand auf dem Schlossplatz ein Festgottesdienst statt. Ein Chor mit bis zu 2.500 gemischten Stimmen trat auf. Zehntausende Menschen drängten sich dicht vor dem aufgebauten Großaltar am Schloss.
Daneben gab es weitere Veranstaltungen an diesem Tag: eine Arbeiter- und Männerversammlung in der Halle Münsterland, eine Kundgebung der katholischen Jugend auf dem Schlossplatz und eine literarische Feier im Rathaussaal.
Um 16 Uhr fand die Schlussveranstaltung auf dem Schlossplatz statt. Münsters Männerchorbund sorgte für die musikalische Begleitung. Kardinal Faulhaber sprach über ,Unsere Kirche und unser Volk in unserer Zeit'. Nach einer Ansprache von Bischof Poggenburg endete die Kundgebung mit dem Lied ,Großer Gott wir loben Dich'.
Danach gab es noch kleinere Versammlungen und eine Festaufführung des Stadttheaters mit dem Titel ,Das große Welttheater'.
Am darauffolgenden Montag führte eine Dankwallfahrt nach Telgte zum Gnadenbild der schmerzhaften Mutter, an der auch der Apostolische Nuntius teilnahm.
Die Veranstalter waren mit ihrem persönlichen Einsatz an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gegangen. Sie hatten eine Veranstaltung organisiert, die als beeindruckendes Ereignis weit über Münsters Grenzen anerkennend zur Kenntnis genommen wurde.
Der Katholikentag fand nach Jahren extremer Inflation und in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit statt. Am Horizont war schon das Wetterleuchten der kommenden Herrschaft der Nazis zu erahnen.
Bischof Johannes Poggenburg starb 1933 im 71. Lebensjahr. Sein Nachfolger wurde Clemens August Graf von Galen.
Quellen
Text: Henning Stoffers
Abbildungen: Sammlungen Jochen Thiele und Henning Stoffers