Liebe Leserin, lieber Leser,

ein düsteres Kapitel in unserer Geschichte ist die grausame Verfolgung und Bestrafung von Frauen und Männern, die der Hexerei oder der Zauberei bezichtigt wurden oder sich anderer Verfehlungen schuldig gemacht hatten. Geschehen ist dies nicht nur in Münster, sondern auch in anderen Städten und Regionen.

 

Ihr Henning Stoffers


Ein Vorwort

Mit dieser Veröffentlichung möchte ich an eine Zeit erinnern, als ein Irrglaube und ein religiöser Wahn über mehr als 100 Jahre zehntausende Menschen unvorstellbar Grauenhaftes erleiden ließen. Die letzten Hexenprozesse fanden vor 400 Jahren statt. Es ist ein trauriges Kapitel unserer Geschichte.

 

Wenn wir meinen, in einer aufgeklärten Zeit zu leben, mag dies innerhalb unserer Grenzen stimmen. Aber ein Blick nur 2000 Kilometer süd-/ostwärts zeigt eine andere Welt, die wir mit ihren menschenverachtenden Exzessen unter einem missbrauchten religiösen Deckmantel bis vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten hatten.

 

Ich habe mich gefreut, als eine münstersche Straße nach der ,Hexe' Greta Bünichmann benannt wurde. Ein kleines Zeichen, dass wir aus der Geschichte lernen.


Der Leidensweg der Grete Bünichmann

Die Wasserprobe

Um Beschuldigte als Hexen zu erkennen, wurde das Gottesurteil der Wasserprobe angewandt. Man verband den rechten Daumen mit dem linken Zeh des Fußes, den linke Daumen mit dem rechten großen Zeh. Die Person wurde ins Wasser geworfen. Sank sie nicht sofort unter, hieß es, der Teufel hielte sie über Wasser. Die Person wurde sodann als Hexer oder Hexe behandelt.

 

Wie lange die Unglücklichen unter Wasser blieben, bestimmte derjenige, der das Seil in der Hand hielt. In der Regel wurden sie lebendig wieder herausgezogen. Da diese Vorgehensweise den Verdächtigten bekannt war, willigten sie dieser Form der ,Beweisführung' ohne Widerwillen zu, denn die Alternativen waren fürchterlicher.

Das Peinliche Verhör oder die Tortur

Darstellung von  Folter- und Hinrichtungsmethoden - ULB Münster - Sammlung Haxthausen
Darstellung von Folter- und Hinrichtungsmethoden - ULB Münster - Sammlung Haxthausen

Die Opfer, überwiegend Frauen, stammten aus einfachen Verhältnissen. Sie wurden vom Anzeigenden oft aus wirtschaftlichen Interessen  der Zauberei oder Hexerei bezichtigt. So konnte sich zum Beispiel ein Schuldner seiner Verpflichtungen entledigen. Oder es ging um den Landbesitz des Opfers, das man sich aneignen wollte.

Alerdincks Vogelschau: Ludgeritor
Alerdincks Vogelschau: Ludgeritor

Das Peinliche (Pein-Schmerz) Verhör wurde eingesetzt, um durch ein Geständnis die schwerste Bestrafung, den Verbrennungstod, zu rechtfertigen. In Münster fanden die Torturen in den frühen Morgenstunden im Niesingturm an der Klosterstraße und in Räumen am Ludgeritor statt. Die Plätze waren so gewählt, dass die Bürger nicht die Schmerzensschreie der Gefolterten hörten. Für kurze Zeit wurde die Folterung auch öffentlich zur Unterhaltung und Belustigung der Bürger vorgenommen.

Alerdincks Vogelschau: Niesingturm
Alerdincks Vogelschau: Niesingturm

Die Gerichtsherren drohten das Peinliche Verhör in den Folterkellern zunächst nur an, um die betroffene Person einzuschüchtern. Legte sie im Angesicht der Folterwerkzeuge ein umfassendes Geständnis ab, entging sie zwar der Tortur, aber nicht dem Todesurteil.

 

Über die verschiedenen Grade der Torturen wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Die Grausamkeiten, die zugefügt wurden, waren entsetzlich: das Zerquetschen oder Brechen von Gliedmaßen, das Überstrecken des Körpers, das Aufhängen an rückseitig gefesselten Händen, der Schlafentzug, die entwürdigende Ganzkörperrasur zur Feststellung von Zauberei oder Hexenmalen, das Anbinden an den Schandpfahl.

 

Für das Maß der Anwendung und die zeitliche Dauer der Folterungen gab es genaue Regeln. Eine Willkür des Scharfrichters war weitgehend ausgeschlossen, denn die Gerichtsherren überwachten den Vorgang. Doch außerhalb der Tortur war eine Frau dem Scharfrichter schutzlos ausgeliefert und musste entwürdigende Übergriffe  ertragen.


Über Greta Bünichmann

Wie es zur Anzeige kam

Greta Bünichmann war Magd bei Hermann Grotenhof, dem sie Geld geliehen hatte. Grotenhofs Geldsorgen waren das Motiv, Greta der Hexerei zu bezichtigen, um sich durch einen Hexenprozess der Schulden zu entledigen. Ihm waren 2 Pferde verendet, und sein Kind hatte eigentümliche Kratzspuren an der Stirn.

 

Grotenhof verdächtigte Greta, dass sie für die Vorfälle verantwortlich sei. Auch hätte sie, als das Kind das Vaterunser betete, die jeweiligen Bitten verneint. Und als Grotenhof einst sehr krank gewesen war, hätte Greta ihn durchs Handauflegen geheilt. So war es für Grotenhof unter diesen Umständen naheliegend, sie als Hexe anzuzeigen, zumal bereits ihre Mutter vor Jahren als Hexe hingerichtet worden war.

Hexen- Der Teufel in Gestalt eines Ziegenbockes - ULB Münster - Sammlung Haxthausen
Hexen- Der Teufel in Gestalt eines Ziegenbockes - ULB Münster - Sammlung Haxthausen

Das 1. Verhör

Dies alles reichte aus, Greta in Gewahrsam zu nehmen und zu verhören. Sie stritt unter Folter alle Vorwürfe ab. Die Kratzspuren am Kinde würden von ihren langen Fingernägeln herrühren. Das Kind habe nachts geschnarcht, weil dessen Hand auf Mund und Nase gelegen hätte. Im Dunkeln habe Greta die Hand weggeschoben und dabei die leichte Verletzung zugefügt. Das Verenden der Pferde erklärte sie mit dem zu starken Abreiben der Pferde mit ,Rattenkraut'. Einen Frosch oder eine Schlange an den toten Körpern hätte sie nicht gesehen.

Die 1. Tortur

Gedornte Halskrause
Gedornte Halskrause

Man begann erneut mit der Tortur. Greta blieb bei ihren Erklärungen, und als die Folter gesteigert wurde, schwieg Greta nur noch. Die Quälerei wurde daraufhin abgebrochen. Die Misshandlungen hatten Greta arg zugesetzt. Die Frau des Scharfrichters pflegte Gretas Wunden und erschlich sich ihr Vertrauen. Gegen Zusicherung auf Gnade gestand Greta der Frau die absonderlichsten Taten: Vergiftung eines Kindes des Grotenhofs und mehrerer Pferde. In der Nähe von Altenroxel hätte der Teufel ihr für einen halben Taler die Zauberkunst geschenkt.

 

Dieses Geständnis wiederholte Greta - auf Gnade hoffend - den Gerichtsherren. Als daraufhin das ,peinliche Halsgericht' angesagt wurde, und Greta merkte, dass sie von der Frau des Scharfrichters getäuscht worden war, und mit Gnade nicht zu rechnen sei, widerrief sie ihr Geständnis.

Die 2. Tortur

Scharfrichter - ULB Münster - Sammlung Haxthausen 16,059
Scharfrichter - ULB Münster - Sammlung Haxthausen 16,059

Die Gerichtsherren beschlossen eine neue Folterung. Man ermahnte sie, die Wahrheit zu gestehen, um die Tortur zu vermeiden. Greta gestand unter dieser Drohung, das Kind und die Pferde getötet zu haben. Aber mit der Zauberei habe sie nichts zu tun, wie auch nichts mit dem Teufel. Sie sagte als Beweis das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser und die 10 Gebote auf. Diese Aussage war nicht ausreichend. Der Scharfrichter zeigte erneut seine ganze Kunst der Grausamkeiten. Trotz aller Qualen, die er ersann, gab Greta kein Geständnis ab. Sie rief ,O Herr, hole mich! Christus Jesus, hole mich!'. Erst als eine Pause gemacht wurde, gestand Greta, dass sie vom Teufel das Geld für die Giftmittel bekommen hätte. Dieses Geständnis gab sie aus Angst vor neuen Misshandlungen ab.

Das Urteil

Zangen mit denen die Täufer tracktiert wurden
Zangen mit denen die Täufer tracktiert wurden

Die Aussage reichte aus, um von der Folterung abzulassen. Im Gefängnis dürften weitere Geständnisse gewaltsam erpresst worden sein.

 

Einige Tage später stand Greta Bünichmann auf der Richtstätte. Sie habe sich schuldig gemacht: Verstoß gegen Gottes 1. Gebot, Pakt mit dem Teufel, Anwendung der Zauberkunst. Das Urteil lautete auf Verbrennen bei lebendigem Leibe. Die Richter erwiesen Greta Bünichmann jedoch die ,Gnade' der Enthauptung, weil sie gestanden hatte. Ihr Körper wurde anschließend verbrannt.

 

Von der ersten Vernehmung am 24. Mai 1635 bis zur Tötung am 23. Juni 1635 waren 30 Tage vergangen.

 

Zum Gedenken und zur Erinnerung an Greta Bünichmann und stellvertretend für die Menschen, die ein ähnliches Schicksal erleiden mussten, wurde eine Straße nach ihrem Namen benannt.


Link-Hinweise

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn Sie mehr über über das Gerichtswesen des 17. Jahrhunderts erfahren möchten, rufen Sie bitte die Seite Kriminalfälle und Strafen auf.

 

Zum Thema der Hexenverfolgung verweise ich gern auf Martina Meißners WDR-Zeitzeichen: Friedrich Spee - Gegen die Hexenverfolgung.


Quellen

Heinrich Offenberg - Bilder und Skizzen aus Münsters Vergangenheit - Aschendorff 1898 und 1902

Ludwig Humborg - Die Hexenprozesse in der Stadt Münster - Coppenrath 1914

Sabine Alfing - Hexenjagd und Zaubereiprozesse in Münster - Waxmann 1994

Abbildungen der Folterwerkzeuge: Das schöne Münster - Heft 3/1935 Stadtarchiv Münster

Henning Stoffers - Text