auch wenn es noch nicht lange zurückliegt, ist es hin und wieder an der Zeit, inne zu halten und an jüngst Vergangenes zu erinnern.
Nachdem ich das beeindruckende Werk des 2001 verstorbenen Malers Gustav Wentker gesehen hatte, fragte ich spontan die Grafikerin Kea Wentker, Gustavs Witwe, ob ich über ihn eine Bildgeschichte schreiben dürfte. Daraufhin erhielt ich etliche dicke Ordner mit Materialien über sein Werk. Und in den angeregten Gesprächen erfuhr ich vieles aus seinem Leben.
Danke an Kea, Lütte und Gernot für ihre freundliche Unterstützung.
Herzliche Grüße
Ihr Henning Stoffers
Erinnerung an einen münsterischen Maler
Gustav Wentker im Sande
Gustav Wentker wurde 1923 in Greven geboren. Sein Vater war Bäcker, und so ging es darum, dass auch er einen handwerklichen Beruf erlernen sollte. Aber er entschied sich anders und besuchte als erst 16-Jähriger (1939-1941) die Meisterschule des deutschen Handwerks in Münster. Einer seiner Lehrer war der bekannte Grafiker Hans Pape. 1941 bis 1944 studierte er dann an den Kunstakademien in Düsseldorf und Frankfurt.
1944 wurde Gustav zum Wehrdienst eingezogen, Entlassung Kriegsende 1945. Als Soldat bei der Artillerie zog er sich eine erhebliche Schwerhörigkeit zu, die ihn mit einem Tinnitusleiden sein Leben lang begleitete.
Von 1946 bis 1948 studierte Gustav an der Werkkunstschule in Münster weiter. Begleitet wurde er wiederum von Hans Pape.
1948 heirate Gustav Wentker die Grafikerin Kea im Sande. Sie wohnten in einem kleinen Zimmer an der Grevener Straße, in dem sie beide auch künstlerisch arbeiteten.
Ihren Lebensunterhalt bestritten sie anfangs durch Portraitzeichnungen für britische Soldaten. Später kamen Aufträge vielerlei Art auf sie zu. Sie arbeiteten für die Glasuritwerke, für Dunlop, die Westfälischen Nachrichten, die Nordseeinsel Borkum, oder es musste ein Plakat für den münsterschen Send gestaltet werden.
Die Grafik diente in erster Linie dem Broterwerb. Viel wichtiger war für Gustav Wentker aber die Malerei, die ihm besonders am Herzen lag. Jedoch waren hierdurch keine finanziellen Erträge für den Lebensunterhalt zu erzielen.
In den frühen 60er Jahren nahm er eine Stelle in Greven an. Denn vom Malen allein könne man nicht leben, sagte er einmal. Die knapp bemessene Urlaubszeit, damals waren es 14 Tage, nutzte Gustav um so intensiver für seine Malerei. Am liebsten hätte er jeden Tag ein Bild fertig gestellt.
Die künstlerische Prägung
Die Palette seiner künstlerischen Gestaltungsmittel ist vielseitig: ob Öl-, Aquarellmalerei, Schabetechnik oder Holzschnitt und Grafik; er experimentierte gern. Das Abstrakte war kein von ihm
bevorzugter Stil, vielmehr zog Gustav Wentker die gegenständliche, stimmungsvolle Malerei vor, wobei er die Formen vereinfachte. Und vor allen Dingen waren Motive aus der Natur seine
Leidenschaft. Besonders hingezogen fühlte er sich zur Ems und Werse. Etliche Flusslandschaftsbilder in heiteren Farben zeigen seine Schaffensfreude und tiefe Verbundenheit zur Natur.
Theo Breider und der Mühlenhof
Als Maler und Grafiker war er in Münsteraner Kreisen sehr gefragt. Auch Theo Breider, der legendäre Begründer des Mühlenhofes, gab ihm Aufträge, für die Breider - wie bei ihm nicht anders zu
erwarten war - kein Geld versprach. Aber eine große Ladung von Erikapflanzen könne er für Wentkers Garten liefern, ...auf die man heute noch wartet, so erzählte Kea Wentker augenzwinkernd. - Die
von Gustav geschaffenen Pergamenturkunden in plattdeutscher Sprache (Ausschnitt siehe rechts) sind im Mühlenhof zu sehen.
Das häusliche Umfeld
Zwischenzeitlich hatten sich die Wohnverhältnisse deutlich verbessert. Man wohnte seit 1961 in einem kleinen Einfamilienhaus im Ortsteil Kinderhaus. Nun stand Gustav ein Atelier zur Verfügung.
Hier konnte er nach Herzenslust Klavier und Orgel spielen. Auch die Restauration von Bildern war nunmehr möglich, auf die sich Gustav ebenfalls bestens verstand.
Eine intensive Bekanntschaft zu dem bekannten Grafiker Waldemar Mallek hatte sich entwickelt. Gustav half uneigennützig bei der Vermittlung von Aufträgen.
Gustav Wentker war vielseitig tätig. Er entwarf Messgewänder, gestaltete Wappen (Heraldik) malte bevorzugt in der Natur, und bei Regen auch aus dem Auto heraus.
Eine kleine Begebenheit
Um in der Natur zu malen - auch einmal eine andere Landschaft, nicht immer das ihm wohlbekannte Münsterland -, fuhr er in den frühen 60er Jahren mit seinem Moped - ein Fahrradanhänger lief hinterher - über die Grenze nach Holland. Auf der Rückfahrt wurde er an der Grenze vom Zoll angehalten. Die Bilder im Anhänger würde er nach Deutschland einführen und seien daher zu verzollen, sonst dürfe er nicht weiterfahren, wurde ihm gesagt. Nach einigem Hin und Her konnte Gustav den Beamten erklären, dass die Bilder von ihm in Holland gemalt worden seien, und so durfte er ohne Zollerhebung nach Hause fahren.
Ostersonntag in Kinderhaus auf Pastors Wiese
Wie gebannt steht eine Personengruppe, Kinder und Erwachsene, im Halbkreis und in gebührendem, sicherem Abstand um das Feuer. Fasziniert gehen die Blicke zu der lodernden Flamme, die der Wind entgegengesetzt zur Gruppe drückt. Ein dunkles Bild, nur der Widerschein des Feuers erhellt die dem Betrachter zugewandten Personen. Der Himmel leuchtet im letzten Zwielicht vor der Dunkelheit der beginnenden Nacht. Die direkt vor dem Feuer Stehenden sind nur in ihren dunklen Umrissen erkennbar. Die große, schwarze Gestalt in der Bildmitte ist der damalige Kinderhauser Pfarrer Karl Stindt.
Aus einem Triptychon
Mit drastischen Bildern zeigt Gustav Wentker die Gegensätzlichkeit unserer Welt. Inspiriert wurde er von der Hungerkatastrophe Ende der 60er Jahre in Biafra.
Auf der einen Seite eine verzweifelte, hilflose Mutter mit ihrem verhungernden Kind, - ein leerer Teller, ein aufgeblähter Leib, sich abzeichnenden Knochen. Ein Bild erschütternden Elends. Auf der anderen Seite eine feierende Männerrunde, gut situiert, johlend einer Streaptease-Tänzerin zuprostend.
Schillers Glocke auf Plattdeutsch? Es war für Gustav Wentker vergnüglich, dieses Gedicht ins Plattdeutsche zu übertragen. So ganz nebenbei schrieb er kleine Gedichte in plattdeutscher Sprache,
die er seiner Frau Kea widmete. Die Zartheit und Sensibilität seiner Wortwahl wird in dem nachstehenden Gedicht deutlich. Die Übertragung ins Hochdeutsche hatte er gleich
mitgeliefert.
Gustav Wentker hatte ein erfülltes Künstlerleben. Seine tiefe Religiosität lebte er nicht vordergründig. Sie spiegelt sich aber mit der Liebe und der Achtung zur Natur in seinen Werken wider. Wo er helfen konnte, tat er es still und gern.
Die letzten Lebensjahre waren von schwerer Krankheit gezeichnet; sie hielt ihn aber nicht von seiner Malerei ab. Gustav starb 2001 und wurde auf dem Waldfriedhof Lauheide beigesetzt.