über Ernst Wenzel habe ich mit dem Lehrerausflug nach Herbern bereits einen Beitrag veröffentlicht. Nun folgt die Fortsetzung, die einen umfassenden Streifzug durch sein fotografisches Erbe macht.
Über Wenzels Leben ist mir nur wenig bekannt. Vielleicht kann einer seiner ehemaligen Schüler von der Geistschule weitere Auskunft geben.
Ihr Henning Stoffers
Ernst Wenzel wurde am 29.9.1890 geboren und war Lehrer an der Geistschule und der Volksschule in Mecklenbeck. Er diente als Soldat im 1. Weltkrieg. In den Kriegsjahren fotografierte er an der Front seine gefallenen Kameraden zusammen mit deren Erkennungsmarke. Diese Bilder sollten die Identifizierung bei Nachforschungen erleichtern. Die Negative gingen an das Bundesarchiv in Koblenz.
Ernst Wenzel lebte zuletzt in Kinderhaus und starb am 8.6.1974.
Alle hier gezeigten Bilder stammen aus den Jahren 1940 (vielleicht auch etwas früher) bis Sommer 1945. Die Fotos wurden zum Teil nachbearbeitet. Einige Bilder habe ich bereits in anderen Bildgeschichten gezeigt.
Leider wurden die Negative nicht beschriftet, sodass die Örtlichkeiten oft nicht zu lokalisieren sind. Dies gilt insbesondere für ein Ferienlager der Hitlerjugend. - Für hilfreiche Hinweise danke ich.
Alle Bilder können vergrößert angezeigt werden. Bitte aufs Bild klicken.
Die Fotografien zeigen das Alltagsleben der 1940er Jahre ohne den Ansatz einer Effekthascherei. Es sind oft spontane Schnappschüsse, so wie sich die Motive dem Fotografen zeigten. Ernst Wenzel fotografierte Menschen in seiner Nähe, die Natur und Landschaft.
Ernst Wenzel hatte seine Kamera griffbereit dabei, und er fotografierte, sobald er ein interessantes Motiv sah. Viele seiner Bilder zeigen das einfache Leben auf dem Lande. Die Technisierung steckte noch in ihren Anfängen. Es war üblich, dass Ochsen vor den Pflug gespannt wurden oder Pferde bei der Feldarbeit zum Einsatz kamen. Überhaupt gehörte die ,tierische' Arbeitskraft traditionell zum bäuerlichen Leben.
Vor mehr als 70 Jahren war die Gegend rund um die Werse still, ländlich und unverbaut. Vereinzelt säumten einfach ausgestattete Bootshäuser die Ufer.
Damals war es eine geruhsame und etwas einsame Idylle. Man angelte, trank ein Glas Wein und genoss die Ruhe und Stille. Es sind Bilder des Friedens und der Harmonie, während vor der Tür der Krieg tobte.
In der Nähe waren die Kaffeewirtschaften, wie beispielsweise Vennemann und Hof zur Linde. An den Wochenenden pilgerten die Münsteraner mit Kind und Kegel nach Handorf. Den selbstgebackenen Kuchen hatte man mitgebracht, der Kaffee wurde jedoch von Kellnern serviert.
Waren es Schüler aus der Geistschule, die mit ihrem Lehrer Ernst Wenzel ins Ferienlager gingen? Es ist naheliegend.
Ernst Wenzel begleitete die Jungen auf ihren Fahrten. Sie gingen unter anderem den Rhein hinauf bis Koblenz und auf einer anderen Tour vermutlich ins Weserbergland. Letzteres ist nicht eindeutig belegbar.
Die Jungen sind etwa 8 bis 10 Jahre alt und werden von 3 bis 4 Jahre älteren Jugendlichen geführt. Dabei sind eine Rotkreuzschwester, ein älterer, nicht uniformierter Mann und Ernst Wenzel.
Das Erleben der Kameradschaft, der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und die als schick empfundene Uniform übten einen großen Reiz auf die Jugendlichen aus. Es wurde militärisch in Reih und Glied mit Fahnenappell angetreten, im Gleichschritt marschiert, gesungen, Kartoffelkäfer gesammelt, die Freizeit verbracht und gemeinsam gegessen. Welcher Jugendlicher konnte sich diesen Gemeinsamkeiten entziehen?
Neben der ideologischen Indoktrination fand eine vormilitärische Ausbildung statt. Die Organisationen Hitlerjugend und der Bund deutscher Mädel waren Instrumente der Nazis zur frühen Bindung junger Menschen an ihr System.
Familie und Kirche standen der Hitlerjugend kritisch gegenüber. Und so ist es nicht verwunderlich, das bei vielen Elternhäusern Münsters und des Münsterlandes Skepsis und Ablehnung herrschte.
Im alten Zoo
Die albtraumhaften Zerstörungen, insbesondere des Hansaviertels, hat Ernst Wenzel im Sommer 1945 eindrucksvoll dokumentiert. Unter anderem zeigen Fotos das Kanalbett und das Hafenbecken ohne Wasser. Zur Bergung von Bombenblindgängern und der Reparatur der Uferbefestigungen war das Wasser bis 1946 abgelassen worden.
Von den mehr als tausend Bildern wird an dieser Stelle eine Auswahl gezeigt. Zum Teil sind es Portraitaufnahmen. Zur Vergrößerung bitte aufs Bild klicken.
Auf wenigen Bildern ist Ernst Wenzel zu sehen. Er vermittelt einen ernsten, zurückgezogenen und gesammelten Eindruck. Das traumatische Erleben als Soldat im 1. Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen. Ein ehemaliger Schüler (90 Jahre alt) der Geistschule bestätigte diesen Eindruck und bezeichnete ihn still, bescheiden und zurückhaltend.
Lange Jahre lebte er in seiner Wohnung Hansaring 32 und war Lehrer an der Geistschule bis Kriegsende. Danach arbeitete Ernst Wenzel bis etwa 1960 als Rektor und Lehrer an Mecklenbecker Volksschule. Er wohnte in Kinderhaus und wurde dort 1974 beerdigt.
Die großartigen Bilder jener Zeit sind Ernst Wenzels Vermächtnis
Quellen
Idee und Text: Henning Stoffers
Fotos: Sammlung Henning Stoffers