alte Ansichtskarten spiegeln eine längst vergangene Zeit wider. Die Motive der Bilder zeigen eine Welt, die uns fremd ist. Vieles gibt es nicht mehr oder hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert.
Zu meinem kleinen Rundgang lade ich herzlich ein.
Ihr Henning Stoffers
Als ich nach meinen schönsten Ansichtskarten gefragt wurde, wusste ich gar nicht, wie schwer es sein kann, die Lieblingsstücke zu benennen. Nun zeige ich Ihnen eine Auswahl, die - natürlich - ganz subjektiv getroffen wurde.
Meine schönste Jugendstil-Ansichtskarte ist die Dame mit dem Blumengebinde im Arm. Sie steht im Mittelpunkt, ihre kleinen Kinder bilden spielerisch einen Kreis um sie. Ein Junge versteckt sich hinter dem Rock der Mutter, ein Mädchen ist ihrer Puppe schmusend zugewandt. Und die Kleinste der fünf Kinder sitzt nackend am Boden.
Die Klarheit der Form, die zurückhaltende Farbgebung und die Verspieltheit und Leichtigkeit des Augenblicks sind in dieser Darstellung ein kleines Kunstwerk. Herausgegeben wurde diese Ansichtskarte anlässlich des Sends im Jahre 1911.
Das gab's auch: Eine Ansichtskarte aus Holz, eine sogenannte Holzbrandkarte. Ca. 3-4 mm dick. Das Motiv wurde per Hand mit einer Schablone ins Holz gebrannt. Diese Holzkarte wurde problemlos von der Reichspost transportiert, allerdings mit höherem Briefporto - was wohl am Gewicht lag.
Domprobst Adolf Donders (1877-1944) schreibt 1911 eine Ansichtskarte an die Oberin Mater Liboria und dankt für die guten Wünschen. Donders war ein wortgewaltiger Prediger. Die Menschen kamen von nah und fern, um ihn im Dom zu hören. Später sollte er Nachfolger von Bischof Johannes Poggenburg, der 1930 verstarb, werden.
Aus gesundheitlichen Gründen lehnte Adolf Donders dieses Amt jedoch ab, und Clemens August Graf von Galen wurde Münsters Bischof. Adolf Donders wurde 1944 auf dem Domherrenfriedhof in Münster beerdigt. - Eine Straße wurde nach ihm benannt: Der Donders-Ring, die geplante Verlängerung des Kolde-Rings über die Hammer Straße hinweg. Eine Bürgerinitative verhinderte in den 1970er Jahren die Baumaßnahme.
Diese Aufnahme beeindruckt mich immer wieder.
Münster hat mehr als 100.000 Einwohner. Das Hotel Continental (heute Conti) am Bahnhof empfängt seine Besucher mit großstädtischem Flair. Erker, Türmchen und Balkone zeugen von einer aufwendigen und kreativen Architektenleistung. Es ist die typische Bauweise der Jahrhundertwende. Auch dieses Gebäude wurde im Krieg vollständig zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte in der nüchternen Form der Nachkriegsjahre.
Wie es früher war:
Die Straße ist unbefestigt und mit Schlamm bedeckt. Das Passieren, ohne sich zu beschmutzen, dürfte schwierig gewesen sein. Zwei Männer sägen einen Holzstamm, der auf Holzböcken liegt. Zwei andere Personen tragen Sensen auf den Schultern, sie kommen offensichtlich von der Feldarbeit.
Solche profanen Darstellungen sind bei Ansichtskarten eher selten zu finden. Viel lieber wurde Schönes abgebildet. Aber es gab auch Ansichtskarten von Kriegszerstörungen, Hinrichtungen, Verstorbenen und Unglücksfällen.
Der Absender namens Rolf schreibt, dass er abends - am 14.2.1898 - angekommen sei. - Was man sich damals auf den Postkarten mitteilte, ist heute nicht viel anders. Lediglich geschieht dies nunmehr per WhatsApp.
Die Ansichtskarte war ein preiswertes Werbemittel, insbesondere für Hotels und Gaststätten. Meistens sind solche Abbildungen geschönt und überdimensioniert, um mehr Eindruck zu hinterlassen. Die Lithograpie zeigt Außen- und Innenansichten des Hotels. Eine gerade geöffnete und von Putten umgebene Sektflasche verspricht ausgelassene Fröhlichkeit im Kaiserhof.
Es war ein Skandal: Es ist das Jahr 1895. Eine amtliche Verfügung wird veröffentlicht, wonach Wirtschaften um 23 Uhr schließen müssen. Sperrstunde. Die Obrigkeit wollte u.a. damit erreichen, dass die Arbeitnehmer am nächsten Morgen ausgeschlafen am Arbeitsplatz erscheinen. Auch ,sozialistische Umtriebe‘ sollten unterbunden werden. Gefängnis- und Geldstrafen wurden bei Zuwiderhand angedroht.
Die lustige Ansichtskarte zeigt die Proteste gegen die Einführung einer Sperrstunde im Jahre 1895.
Auf dem Prinzipalmarkt protestierten die Münsteraner, lautstark und mit Gesang. Die Polizei schritt ein, und einige Zeitgenossen kamen in das kleine Gefängnis hinterm Rathaus. Aufgrund der Proteste kam es zur Rücknahme der Maßnahme, indem die Wirte Ausnahmegenehmigungen beantragen konnten. So ging Münsters Bierkrieg wie das Hornberger Schießen aus.
Die Auflehnung der Bürgerschaft hatte nachvollziehbare Gründe. So waren es Ressentiments gegen die protestantische preussische Regierung nach dem vorausgegangenen Kulturkampf sowie gegen den modernen Fortschritt.
Die Kartenränder wurden, vielleicht mit einer Kerze, abgesengt. Die Botschaft, die auf dieser Karte zu lesen ist, lautet:
,O, sei dich wie der Karte Rand im neuen Jahr Dein Herz verbrannt.'
War es für den Richter von Hatzfeld peinlich, eine Liebeserklärung per Postkarte – offen für jeden lesbar – zu erhalten? Wie bei jeder Behörde und jedem Unternehmen gibt es eine Poststelle, wo eingehende Postsendungen geöffnet und gelesen werden, um sie an die zuständigen Stellen weiterzuleiten.
Ich kann mir gut vorstellen, wie der Gerichtsdiener diese Postkarte schmunzelnd – vielleicht auch andere Kollegen informierend – an Richter von Hatzfeld geleitet hat.
Der Fotograf Carl Pohlschmidt hat der Nachwelt eindrucksvolle Aufnahmen hinterlassen.
Dieses Foto zeigt den Buddenturm um 1935 an der Buddenstraße. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bauwerk zu einem Wasserturm umfunktioniert und mit neugotischen Zinnen versehen. Im Inneren versteckt sich ein eiserner Behälter zur Wasseraufnahme. Nach dem Krieg wurde der Turm in seinen ursprünglichen Zustand zurückgebaut
Das Foto muss an einem Waschtag gemacht worden sein, denn draußen flattert Wäsche zum Trocknen.
Der Waschtag war ein in der Familie fester Wochentag. Es gab die meist wöchentlich wiederkehrende ,Kleine Wäsche' (Hemden, Unterwäsche etc.) und in größeren Zeitabständen die ,Große Wäsche' (Bettwäsche, Röcke, Hosen etc.).
Anno 1888. Diese eher unansehnliche Ansichtskarte zeigt die Königliche Post am Domplatz. Es ist eine Lithographie, wie sie damals üblich war. Links neben der Post entstand einige Jahre später das Regierungsgebäude (Abriss 1965). Nach dem 2. Weltkrieg wurden in diesem Bereich das neue Post- und Regierungsgebäude errichtet.
Quellen
Text und Idee: Henning Stoffers
Abbildungen: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)