im März 2020
die Corona-Pandemie ist ausgebrochen, und wir alle spüren die einschneidenden Veränderungen in unserem Alltag. Was vor wenigen Tagen noch selbstverständlich war, gehört inzwischen der Vergangenheit an. Auf Liebgewordenes muss verzichtet werden, existenzielle Sorgen treffen uns; wir tragen Verantwortung nicht nur für uns, sondern auch für unsere Mitmenschen.
Mit diesem Beitrag erinnere ich an die Pest- und Brandkatastrophe der Jahre 1382 und 1383. Die Parallelität zur heutigen Corona-Pandemie ist frappierend.
Ihr Henning Stoffers
Eine der schlimmsten Geißel der Menschheit war im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit die Pest. Ob arm, ob reich, ob jung, ob alt, jeder konnte von der Krankheit dahingerafft werden. Und da die Hygiene insbesondere bei den ärmeren Mitbürgern meist fehlte, war diese Bevölkerungsgruppe besonders stark von Krankheit und Tod betroffen.
Während die Beulenpest bei einem milden Verlauf überstanden werden konnte, gab es bei der Lungenpest kaum eine Chance.
Der ,Schwarze Tod' kam Mitte des 14. Jahrhunderts nach Europa und erfasste auch Münster. 1382 wütete die Pest besonders schlimm in unserer Stadt. Innerhalb weniger Monate sollen 8000 Menschen dahingerafft worden sein - mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung. Die Krankheit nahm einen rasanten Verlauf, innerhalb weniger Tage starben die Kranken.
Über die Ursache der Krankheit wurde gerätselt. Warum wurden so viele Menschen krank und starben? War es eine Strafe Gottes? Oder waren Münsters Juden für die Epidemie verantwortlich? Ihnen wurde vielerorts alles Schlechte zugeschrieben. Der Sündenbock war gefunden. Man verdächtigte die jüdischen Mitbürger eines heimtückischen Anschlags. Es kam zu Ausschreitungen, die Juden wurden vertrieben und etliche wahrscheinlich auch getötet. Danach gab es jahrhundertelang keine jüdische Gemeinde mehr in Münster.
Dass es die Flöhe waren, die von Ratten und Mäusen infiziert waren, wusste man in jener Zeit nicht. Die Flohstiche übertrugen die Krankheit auf die Menschen, die wiederum ihre Mitmenschen ansteckten.
Die Gefahr der gegenseitigen Ansteckung war erkannt worden. Den Stadtbewohnern wurden daher Beschränkungen auferlegt. So waren Feste und andere Vergnügungen untersagt. Erkrankte Ortsfremde, zum Beispiel Hauspersonal, Reisende und Marktbeschicker, wurden ausgegrenzt und aus der Stadt gewiesen. Diese Maßnahmen waren für die Betroffenen grausam und äußerst hart; sie waren dem sicheren Tod geweiht.
An den Häusern der Erkrankten hingen Kränze, um die Gesunden zu warnen. Auch gab es Verordnungen, die die Bewohner zur Reinhaltung der Straße verpflichteten. In späteren Jahren wurden städtische Bedienstete mit der Reinigung der Straßen beauftragt. Diese Aufgabe übernahmen zeitweise auch die Türmer von St. Lamberti. Eine für uns heute selbstverständliche Abwasserkanalisation war in jener Zeit nicht bekannt. Sie kam erst 500 Jahre später nach Münster.
Der damalige Türmer von St. Lamberti war während der Epidemie von 1382 auch der Totengräber. Das Massensterben machte ihn sehr reich. So soll er sich eines der zwei Geschosse auf dem Lamberti-Kirchturm habe bauen lassen. Die innerstädtischen Friedhöfe mussten erweitert werden. Eine zusätzliche Begräbnisstätte entstand auf dem Stadtwall am Mauritztor.
In den Zeiten der Pest kam das Stadtleben weitgehend zum Erliegen. Existenzielle Sorgen und Angst ums eigene Leben und das der Angehörigen bestimmten den Alltag. In späteren Jahren wurden die Häuser der Toten ausgeräuchert. Die Kleidung der Verstorbenen kam nicht zur üblichen Weiterverwendung, man verbrannte sie.
300 Jahre lang wüteten die immer wiederkehrenden Pestepidemien in Europa, letztmalig 1666 in Münster. Ende des 17. Jahrhunderts hatte Münster nach den Kriegen, Hungersnöten und Epidemien weniger als 7000 Einwohner (ohne Klerus).
Ein Jahr später, es war am 22.11.1383, brach eine weitere Katastrophe über die Stadt herein. In einem Wirtshaus an der Servatiikirche hatte sich die Kürschnergilde zu einem Festmahl versammelt. Durch eine Unvorsichtigkeit des Kochs wurde eine verheerende Feuersbrunst ausgelöst. Das Feuer zerstörte 400 Häuser, die Servatiikirche und die Ludgerikirche.
Zur Erinnerung an die beiden verheerenden Katastrophen findet seit mehr als 600 Jahren die traditionelle ,Große Prozession' statt. Die Bürgerschaft und die Geistlichkeit wollten Gott um Schutz vor Unglücken bitten. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich die eher schlichte Bitt- und Bußprozession zur prachtvollen ,Großen Prozession' mit Böllern und Glockengeläut.
Besonders groß war die Zahl der Teilnehmer des feierlichen Umzugs während der Nazi-Herrschaft. Es war eine Demonstration für die Werte des christlichen Glaubens.
Auch heute hat die Prozession ihren festen Platz in Münster. Lediglich der
Wochentag wurde von einem Montag auf einen Sonntag verlegt.
Die Parallelität der damaligen und heutigen Maßnahmen zur Eindämmung einer Epidemie ist erstaunlich. Von der Grundsätzlichkeit her hat sich nur wenig geändert.
Betrachten wir die lange Geschichte unserer Stadt, dann sehen wir, dass Katastrophen und andere existentielle Ereignisse Münster immer wieder heimsuchten. Auch wenn die Opferzahlen und die Verwüstungen noch so groß waren, zeigt die Historie, dass Krankheiten, Krisen und Zerstörungen zu überstehen und zu bewältigen sind. - In diesem Sinne lassen Sie uns positiv in die Zukunft schauen.
Quellen
Text und Idee: Henning Stoffers
Fotos: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)
Verwendete Literatur:
Geschichte der Stadt Münster von J.D. Plaßmann - Verlag Ferd. Theissing, Münster 1925
Münster im Wandel der Zeit - Kriege und Katastrophen - Heft Nr. 9
Waanders Verlag - Stadtarchiv Münster