bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es tausende Ansichtskartenmotive unserer Stadt. Meist waren es in den unterschiedlichsten Ausführungen der Dom, der Prinzipalmarkt, das Schloss und die Lambertikirche.
In meinem neuen Buch ,Münster zurückgeblättert - Band 2' finden Sie diesen Aufsatz auch in gedruckter Form - neben neun weiteren Bildgeschichten. Weitere Informationen finden Sie hier.
In dieser Bildgeschichte sehen Sie einige Beispiele aus jener Zeit.
Ihr Henning Stoffers
Als 'Correspondenz-Karte' im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eingeführt, ist die Postkarte heute eine besondere Zeitzeugin vergangener Tage. Vieles, was im Laufe der Jahrzehnte zerstört - insbesondere im 2. Weltkrieg - , bombardiert, abgerissen oder verändert wurde, blieb uns durch sie zumindest als Bild erhalten.
1880 war es gar nicht selbstverständlich, eine Zigarren-Bestellung per Postkarte aufzugeben. Herr von Dehn Rothfelser aus Münster muss ein besonders fortschrittlicher Zeitgenosse gewesen sein. Er rügte zudem die schlechte Verpackung der vorangegangenen Lieferung.
Zunächst misstrauisch beäugt, weil man um das Briefgeheimnis fürchtete, entwickelte sich bald eine regelrechte Postkartenmanie. So produzierte im Jahr 1900 eine Frankfurter Postkartenfabrik mit etwa 1200 Angestellten bis zu 100 neue Motive täglich. Kein Wunder, dass fast jedes Dorf und jede Kneipe bald 'eigene' Postkarten hatten.
Bei der Gestaltung der Postkarten war der Phantasie keine Grenzen gesetzt. So gab es diese prächtige Prägekarte mit Stadtwappen und pfantasievollen Emblemen. Oder Fotomotive wurden mit Jugendstilelementen verziert.
Leporello-Karten waren besonders raffiniert. Dieses Motiv hatte ein Kläppchen am Koffer. Wenn dieses geöffnet wurde, konnten bis zu 10 aneinandergereihte Kartenmotive in Briefmarkengröße herausgezogen werden.
Eine der vielen Ansichten des Roggenmarktes. Anlässlich einer Gewerbeschau gab es den dekorativen Aufkleber zusätzlich.
Diese Ansichtskarte hat eine innenliegende Drehscheibe. Beim Drehen am seitlichen Rand werden in dem kleinen Fenster verschiedene Bildmotive sichtbar.
Ein Ereignis der besonderen Art: 1912 tagten die Naturforscher und Ärzte in Münster. Aus diesem Anlass gab es 5 Ansichtskarten und zusätzlich ein schönes Buch über die Stadt Münster.
Künstlerisch anspruchsvolle Kartenmotive waren nicht selten. Hier wird ein Skelett eines Mammuts (oder Elefanten*) vorgeführt. An der Fanfare hängt eine Fahne mit dem Westfalenross. Eine Personengruppe grüßt fröhlich ausgelassen.
*Dank an Herrn Wollny für den weiterführenden Hinweis: Es handelt sich um ein Mammut. Das Skelett wurde 1910 in Ahlen gefunden. Für die Naturforscher war es damals ein sensationeller Fund, der zeitnah zu diesem Kartenmotiv führte.
Das untere Drittel der Ansichtskarte wurde bei dieser Ansichtskarte freigelassen, damit an dieser Stelle vom Absender Mitteilungen gemacht werden konnten. Die Rückseite diente bis 1906 nur postalischen Zwecken: Empfängeranschrift, Briefmarke und Abgangs-/Ankunftsstempel. Weitere Einträge waren nicht zulässig. Anhand der Poststempel lässt sich die damalige Postlaufzeit heute noch feststellen. Die Post war schnell: abends eingeliefert, am nächsten Morgen zugestellt.
Als Motiv für Postkarten diente alles, was für den Umsatz des Kartenherstellers förderlich war. Ob Straßenbild, Aufbahrung eines verstorbenen Bischofs, Glückwunschkarte zum Namens-/Geburtstag, Silvestergruß, Fotos des Kaisers und des Adels, Trauerzug anlässlich eines Unglücks, umgestürzte Straßenbahn oder Autounfall, Soldaten, Kinder oder Personengruppen. Einfach alles - sei es geschmacklos oder künstlerisch anspruchsvoll - wurde als Ansichtskarte in Umlauf gebracht.
Ein oft fotografiertes Motiv war der Spiegelturm. Diese künstlerische Darstellung wurde als Steindruck in Umlauf gebracht. Noch häufiger diente der Dom als Kartenmotiv. Und da gerade der neue Bischof Felix von Hartmann in sein Amt gewählt worden war, kam sein Foto gleich mit auf die Karte. Diese Art einer Ansichtskarte wird als Ereigniskarte bezeichnet.
Die Baugewerkschule (heute Handwerkskammer) am späteren Aasee war zur Jahrhundertwende gebaut worden. Diese dekorative Karte wurde von den Abiturienten an die Verwandtschaft, an Freunde und Bekannte verschickt.
Der Höhepunkt des Kartenbooms war zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Teilweise waren auf den Postämtern die Briefmarken ausgegangen. Auch wurde berichtet, dass die Briefkästen von zuvielen Einwürfen verstopft gewesen waren.
Während des 1. Weltkrieges nutzten die Soldaten die Ansichtskarte als Feldpostkarte für ihre Grüße in die Heimat.
Eine Jugendstilkarte in feinster Ausführung. Auch das erforderliche Beschriftungsfeld wurde vorgesehen.
Was mag man sich vor 110 Jahren geschrieben haben? Zu heute hat sich nichts geändert: Zum Beispiel wurde die Ankunft des Zuges mitgeteilt, eine zärtliche, innige Botschaft geschickt oder ein Gruß aus feuchtfröhlicher Runde ausgerichtet. Heute geschieht dies per SMS oder WhatsApp.
Man erhielt Post von Verwandten, Freunden und Bekannten. Gastwirte ließen von ihrer Gaststätte - oftmals geschönte - Ansichtskarten produzieren, die an die Gäste verteilt wurden. Egal welcher Anlass, er wurde für einen Kartengruß genutzt.
Hieraus entwickelte sich bei den Empfängern eine ausgeprägte Sammelleidenschaft. Jede Ansichtskarte kam in ein prächtiges, kostbar verziertes Album.
Und das gab's auch: Eine Ansichtskarte aus Holz, eine sogenannte Holzbrandkarte. Ca. 3 mm dick. Das Motiv wurde maschinell oder per Hand ins Holz gebrannt. Diese Holzkarte wurde problemlos von der Reichspost transportiert, allerdings mit dem höheren Briefporto - was wohl am Gewicht lag.
Quellen
Text: Henning Stoffers
Abbildungen: Sammlung Henning Stoffers