kommt es erneut zu einer Bausünde? - Ein besonderes Gebäude in excellenter Lage soll vielleicht abgerissen werden: Das Gefängnis von Münster. Es stammt aus dem Jahre 1848 und steht unter Denkmalschutz.
Viele Bürger vermuten bei all dem Kuddelmuddel und Kompetenzgerangel der Behörden vorgeschobene Gründe, die einen Abriss rechtfertigen sollen. Andere stellen sich neuen Wohnraum in bester Stadtlage vor. Richtig ist, dass das Gebäude einzigartig in seiner Architektur ist und eine Bereicherung für unsere Stadt darstellt.
Mehr über münstersche Bausünden der letzten 100 Jahre lesen Sie in dieser Bildgeschichte.
Ihr Henning Stoffers
PS
Diese Bildgeschichte finden Sie auch im Münster!Magazin (10/2016).
Bausünden hat es immer schon gegeben. Oft waren es finanzielle Motive, die zu einem Abriss führten. Oder das Bauwerk genügte nicht mehr den Modernitätsansprüchen, oder man war sich der kunsthistorischen Bedeutung nicht bewusst. Einige Beispiele sind hier genannt.
Auf engstem Raum, es waren nur 441 qm, standen 10 Wohn- und Geschäftshäuser. Das kleinste Haus hatte eine Grundfläche von wenig mehr als 20 qm.
Für die Straßenbahn war die Durchfahrt an der schmalsten Stelle nur etwa 3-4 Meter breit. Die Fahrradfahrer waren aufgefordert abzusteigen - andere Fahrzeuge, es waren damals Pferdefuhrwerke, durften nur im Schritttempo fahren.
Nach einem Brand, der offensichtlich für die Stadtväter sehr gelegen kam - es wurde gemunkelt, er sei gelegt worden -, wurden die Gebäude in den Jahren 1906/07 abgebrochen. Das Motiv für diese Entscheidung war das verkehrstechnische Problem der äußerst dichten Bebauung - ein Nadelöhr - an dieser Stelle.
Das Juwel eines historischen Baudenkmals ging für immer verloren.
Das alte Regierungsgebäude am Domplatz wurde durch Bomben beschädigt. Nach notdürftiger Reparatur konnte das Gebäude weiter genutzt werden.
1965 kam es trotz heftiger Proteste zum Abriss. Das nebenstehende Konsistoriums, das kurz nach dem Krieg erst neu errichtet worden war, wurde zwecks Erweiterung des Baugrundstückes ebenfalls abgerissen.
Sicherlich wäre der Erhalt der alten Regierung nicht nur als nostalgische Bereicherung des Stadtbildes begrüßt worden. Insbesondere wäre auch ein wertvolles Zeugnis unserer Stadtgeschichte erhalten geblieben. Man hatte sich zwar vor mehr als 50 Jahren auch Gedanken über den Erhalt des Gebäudes gemacht, sich leider aber eher für eine pragmatische Lösung entschieden.
Das Stadthaus I hebt sich - im wahrsten Sinne des Wortes - unrühmlich hervor. Bei der Höhe des 12stockigen Bauwerkes stellten die Verantwortlichen die Zweckmäßigkeit für die Stadtverwaltung in den Vordergrund, sodass das Gebäude alles im Umkreis - bis auf den Lambertikirchturm - überragt.
Das danebenstehende Kaufhaus Althoff (später Karstadt) wurde nach dem damaligen Zeitgeschmack errichtet. Die Fassade bestand aus grünlich lasierten Kacheln, die auch in jedes Badezimmer gepasst hätten. Einige Jahrzehnte später wurde die Fassade neu gestaltet.
Der nachstehende Zeitungsartikel 1955 macht die damalige Situation der Entscheider deutlich und nachvollziehbar. Es ging darum, möglichst viel Bürofläche in dem Neubau zu schaffen, um die Kosten für angemietete Büroflächen zu mindern.
Die Erlöserkirche wurde 1900 fertiggestellt. Erbaut im neugotischen Stil - ein Schmuckstück aus rotem Backstein, verziert mit Sandsteinelementen. Im Bombenkrieg wurde die Kirche weitgehend zerstört. Erhalten blieben der Stumpf des Kirchturms und wenige Reste des Mauerwerks.
Eine Wiederherstellung in alter Form war nicht möglich. Zuviel der alten Substanz fehlte, und natürlich waren Mittel für eine aufwendige Restaurierung nicht vorhanden. Aus dieser Situtation heraus errichtete die Gemeinde eine Behelfskirche. Der Kirchturmstumpf bekam lediglich eine schlichte Turmspitze. Diese Notkirche wirkt verhuscht und steht inzwischen unter Denkmalschutz.
Das prächtige Westportal mit seinen gotischen Verzierungen war im Krieg markante Zielscheibe für Bomberpiloten und wurde völlig zerstört. Insgesamt wurde der Dom aufs Schwerste beschädigt.
Bischof Michael Keller setzte sich im Alleingang mit einem schlichten Wiederaufbau der westlichen Frontseite durch.
In Münsters Bürgerschaft kochten die Emotionen aufs Heftigste hoch. Der Stadtrat wollte die Baugenehmigung versagen. Vergeblich - es kam die strenge Wand.
Im Volksmund bekam das Mauerwerk den Namen ,Seelenbrause' oder auch ,Wählscheibe'.
Kinderhaus - ein Ortsteil mit 16.000 Einwohnern - sollte ein neues Zentrum erhalten. Ein Investor war gefunden, die Bürgerschaft wurde nach Wünschen und Vorschlägen befragt. Die Verantwortlichen rührten die Trommeln. Ein Planungsprozess kam in die Gänge.
Traurig ist das Ergebnis:
Wie Schuhkartons sind die Baukörper aufeinander gesetzt. Eine schlichte, seelenlose Architektur, wie für eine Fabrik konzipiert, prägt nun den Ortskern. Schade, dass viele der Anregungen der Bürgerschaft nicht berücksichtigt worden sind.
Von der Funktionalität her werden die Erwartungen sicherlich erfüllt, allerdings sind die Parkmöglichkeiten unterdimensioniert.
1950 wurde über den Neubau des Landeshauses beraten. Der vordere Teil des Gebäudes war zwar beschädigt, aber noch nutzbar. Ziel war es, die Nutzfläche zu vergrößern. Eine schlichte Zeichnung des Neubaus wurde vorgelegt. Bei der Beratung mokierte man sich über den Turm, der einem Kirchturm gleichen würde und nicht zu einem Verwaltungsgebäude passe. Über den Erhalt des Gebäudes war in dieser Sitzung nicht die Rede.
Im 2. Weltkrieg ist ein Großteil der alten Bausubstanz Münsters zerstört worden. Zu den wenigen Gebäuden, die weitgehend unversehrt geblieben sind, gehört das Gefängnis an der Gartenstraße. Als es vor fast 170 Jahren erbaut wurde, lag das in englischer Neugotik erstellte Bauwerk noch vor den Toren der Stadt.
Die Karte von 1864 zeigt das Zuchthaus (später Gefängnis) in seiner ursprünglichen Größe. Einige Anbauten waren bereits hinzugekommen. Später wurden u.a. große Werkhallen für die Ausbildung und Beschäftigung der Häftlinge gebaut.
An der Gartenstraße - in Höhe der Einmündung zur Kolpingstraße - lag ein kleiner Friedhof der verstorbenen Strafgefangenen. Heute ist an dieser Stelle eine Rasenfläche, nichts erinnert an den Friedhof.
Ein bauhistorisches Gebäude mit einer langen Geschichte steht vielleicht vor dem Abriss. Kommt es dazu, würde erneut ein Stück altes Münster unwiderruflich verloren gehen.
Vor dem Wiederaufbau glich Münster, insbesondere die Innenstadt, einer einzigen Trümmerwüste.
Ganze Straßenzüge waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Es gab Diskussionen, in welcher Form ein Wiederaufbau erfolgen sollte. Letztlich wurde entschieden, den Stadtkern möglichst im ursprünglichen Zustand neu zu erbauen. Dies bedeutete aber nicht, dass eine Modernität ausgeschlossen war. Und so war es in jener Zeit eine außergewöhnliche Herausforderung, die richtige Balance zwischen alten und neuen Bauformen zu finden.
Ohne die Aufzeichnungen von Professor Max Geisberg, der die Baudenkmäler Münsters akribisch in Wort und Bild katalogisiert hatte, wäre der Wiederaufbau der historischen Gebäude nicht oder zumindest nur schwerlich möglich gewesen.
Als besondere Rettungstaten gelten der Wiederaufbau des Rathauses, der Petri-, Apostel-, der Clemens- und der Dominikanerkirche, des Schlosses und des Erbdrostenhofes.
Der Wiederaufbau geschah unter schwierigsten Bedingungen und größten Opfern. Es herrschte Wohnungsnot, es fehlte am Nötigsten. Umsomehr ist der damaligen Bürgerschaft, der Kaufmannschaft und den Verantwortlichen der Stadt für diese einzigartige Aufbauleistung zu danken.
Quellen
Text: Henning Stoffers
WN 11.5.1955
Fotos und Abbildungen, soweit nicht anders angeführt: Henning Stoffers
Diese Bildgeschichte finden Sie auch im Münster!Magazin (10/2016).