die Jahre von 1918 bis 1933 waren in unserer Stadt turbulent und ereignisreich. Es ist die Zeit der Weimarer Republik. Über dieses Thema hielt ich vor kurzem im Stadtarchiv einen Vortrag, den ich nun in drei Teilen als Webversion veröffentliche.
Inhalt Teil 1: Soldaten kehren aus dem Krieg zurück, eine stürmische Inflation hält Einzug, eine große Arbeitslosigkeit herrscht. 1933 folgt die Naziherrschaft. Der 2. Teil handelt von der immensen Bautätigkeit dieser Jahre, der 3. Teil von bemerkenswerten Geschehnissen.
Anhand von Erläuterungen, Fotos und Dokumenten lasse ich diese Zeit Revue passieren.
Ihr Henning Stoffers
Weihe des 13er Denkmals
St. Lamberti ohne Türmer
Gebutsort des WDR
Die Mode
Vergnügungen
Zeitungsschnipsel
Sieben Jahre sind nach dem Krieg vergangen. Zu Ehren der gefallenen Soldaten des 13er Regiments wird 1925 an der Promenade, nahe der Westerholtschen Wiese, ein Denkmal errichtet. Ein zweitägiges Festprogramm ist für die Einweihung vorgesehen.
Gedenkgottesdienste finden in der katholischen Lambertikirche, in der evangelischen Apostelkirche und in der jüdischen Synagoge statt. Im Anschluss daran geht es zur Denkmalsweihe.
Ein aus diesem Anlass veröffentlichtes Gedicht endet mit den pathetischen Worten:
Und wenn auch heute bedrückt die Schmach,
Es wird doch einst kommen für uns der Tag,
Wo Deutschland durch ernste Arbeit sich bricht,
Der Weg auch durch finstere Nacht zum Licht!
Das Grußwort des Oberbürgermeisters Sperlich endet mit dem Wahlspruch ,Treue um Treue'. Heute ist der Spruch umstritten und verpönt, wird er doch als Verbindung zur Wehrmacht gesehen.
Die Dokumente spiegeln den damaligen vorherrschenden Zeitgeist nach dem verlorenen Krieg und den ungerecht empfundenen Bedingungen des Versailler Vertrages wider.
1923 wird die Stelle des Turmbläsers eingespart. Der Türmer wird aus seinem Amt entlassen.
Das hat es noch nie gegeben, diese jahrhundertealte Tradition einfach abzuschaffen. Die herrschende Inflation fordert aber rigorose Sparmaßnahmen.
Nach erheblichen Protesten der empörten Bürgerschaft führt Oberbürgermeister Dr. Georg Sperlich ein Jahr später den Türmer erneut in sein Amt ein, was Anlass für eine große Veranstaltung ist.
Der Dichter Karl Wagenfeld - er vertritt rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut - trägt sein patriotisch, heroisches Gedicht 'Der Turmwächter von Lamberti' vor.
Dazu gibt es Glockengeläut, Choralmusik und Türmerblasen. Dieses besondere Ereignis wird 1924 von der Westdeutschen Funkstunde übertragen.
Münster bekommt einen Rundfunksender: die ,Westdeutsche Funkstunde Münster'. Angesiedelt wird er am münsterschen Stadthafen. Das heute hausbacken anmutende Programm wird direkt - live - gesendet. Tonbandaufnahmen haben noch nicht Einzug gehalten. Aus der Westdeutschen Funkstunde Münster ist der heutige WDR entstanden.
Modisch gekleidete Damen am Servatii-Platz
Die 20er Jahre haben ihren eigenen typischen Modestil. Die Gürtel sind tief angesetzt. Die leichten Sommerkleider weisen zierlich gestickte Applikationen auf.
Die Frauen zeigen sich modebewusst, etwas provokant und zunehmend emanzipiert. Oft werden knielange ,Hängerkleider' getragen. Große Federn werden als modisches Stilelement gern zum Kopfschmuck genommen.
Und die Herren? Ihre Kleidung wird sportlicher, weniger konservativ. Hosenträger und vor allen Dingen Fliegen gehören zu einem gepflegten
Erscheinungsbild.
1919 gründet Werner Estinghausen - er war erst 23 Jahre alt - seine Tanzschule in der Ludgeristraße 91. Mit welcher Ausgelassenheit in den 20er Jahren gefeiert wird, zeigen diese Bilder. Besonders gefragt ist das Café Roxel am Servatiiplatz. In gepflegter Atmosphäre wird hier das Tanzbein geschwungen.
Ein kleiner Blick in den Münsterischen Anzeiger verrät, was gesucht und angeboten wird. Im Vergleich zu heute hat sich nicht viel geändert. Vielleicht wird das eine oder andere sprachlich etwas anders formuliert.
Der gesuchten Friseuse wird gute Behandlung zugesichert, eigentlich etwas Selbstverständliches.
Über den evtl. Familienanschluss habe ich länger nachgedacht, was dies zu bedeuten hat...
Der Genuss des Tabaks wird in dieser Zeit als harmlos angesehen. Nun droht eine Erhöhung der Tabaksteuer. Der Reichtagsabgeordnete Engberding nutzt dies für seinen Wahlkampf. Er stellt fest, dass der Genuss für den kleinen Mann unbezahlbar wird.
Seit 1879 finden im münsterschen Zoo Hagenbecks Völkerschauen statt. Zoodirektor Hermann Landois bemerkt dazu selbstkritisch: ,Es ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit, dass die Wissenschaft durch derartige Marktausstellungen ihre materielle Grundlage erhalten muss.' Erst 1926 enden die menschenverachtenden Völkerschauen.
Auch das gab's:
Jeder, der noch Billionen besitzt, solle sie kurzfristig einliefern, bevor sie ungültig werden. Und gefälscht wurde auch...
Fünfzehn ereignisreiche, turbulente Jahre sind vergangen, in denen in unserer Stadt viel geschehen ist. Die Einwohnerzahl steigt von 100.000 auf 125.000. Ein beeindruckender Zuwachs! - Es ist eine relativ kleine Zeitspanne, die im Rückblick in ihrer starken Intensität beeindruckend ist.
Meine Rückschau soll mit einer begrenzten Themenwahl an jene Zeit erinnern. Ergänzungen und Hinweise sind herzlich willkommen.
Quellen
Text und Idee: Henning Stoffers
Bildmaterial: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank Thie - Stadtarchiv)