geht es Ihnen auch so, dass sich der Blick wie magnetisch angezogen auf die Körbe am Lambertikirchturm richtet?
Seit fast 500 Jahren sind die Eisenkörbe denkwürdiges Mahnmal und für viele Menschen auch das Wahrzeichen Münsters. Lediglich eine schauerliche Touristenattraktion sollte es allerdings nicht sein.
Die Körbe gehören zu Münster, sie sind ein Teil unserer geschichtlichen Vergangenheit.
Ihr Henning Stoffers
Fast 2 Jahre haben die Täufer die Stadt regiert. 16 Monate belagerten die Söldner und die Verbündeten des Bischofs Franz von Waldeck die Stadt. Münster wurde am 25. Juni 1535 eingenommen.
Die Einnahme war brutal und blutig; die meisten Männer kamen ums Leben. Entweder waren sie gefohen, im Kampf gefallen oder wurden während der anschließenden Plünderung erschlagen. Nur fünf Anführer konnten festgenommen werden, darunter Jan van Leiden, Bernhard Knipperdolling und Bernhard Krechting. Sie wurden in Haus Dülmen inhaftiert und verhört.
In Haus Dülmen wurde besprochen, wie die Exekution an den Täufern ausgeführt werden soll.
Das Urteil war noch nicht gefällt, als der Dortmunder Schmied Berthold von Lüdinghausen den Auftrag für drei eiserne Körbe erhielt. Ende 1535 waren die Körbe fertiggestellt. In einen der Körbe wurde die Jahreszahl MCCCCCXXXV eingeschlagen. Der größte Korb misst 187 x 78 cm und wiegt 220 Kilo, die beiden anderen sind wenige Zentimeter kleiner, insgesamt sind sie etwa 600 Kilo schwer.
Die Körbe sind aus rechteckigen, stärkeren und dünneren Eisenstäben zusammengesetzt. Im unteren Teil befindet sich jeweils an zwei Angeln eine Tür, die den Zugang ermöglicht.
Im Vorfeld der Urteilsverkündigung war es bereits sicher, dass die Delinquenten zur Schau gestellt werden. Im ausgehenden Mittelalter war dies eine übliche Praxis und sollte der Abschreckung dienen. Eine entehrende Strafe und die zumindest zeitweilige - nicht bei den Täufern - Verweigerung eines christlichen Begräbnisses gehörten ebenfalls zu den damaligen Maßnahmen.
Das Todesurteil war nur noch eine Formsache. Der Schuldspruch bezog sich auf eine Vielzahl von Vergehen, u.a. der Einführung einer boshaften, viehischen und unerlaubten Religion sowie der Schändung von Kirchen.
Einer der Delinquenten - Jan van Leiden - habe sich außerdem zum König erhoben, lautete der Vorwurf.
Für den Kölner Erzbischof war als Strafe vorstellbar, die Delinquenten vor ihrer Hinrichtung ,mit gekürzter Zunge' drei bis sechs Monate lang
bei kümmerlicher Ernährung in den Käfigen am Lamberti-Kirchturm zur Schau zu stellen. Sie sollten auch nach ihrer Kenntnis über die schwarze Kunst befragt werden, und ob sie mit dem Teufel verhandelt hätten.
Auf der linken Fotografie sind die Käfige nur schemenhaft zu erkennen. Das Aquarell rechts verdeutlicht die damalige Anbringung der Käfige. Am alten Lamberti-Kirchturm hingen die Körbe deutlich niedriger, als es heute der Fall ist.
Bereits in der damaligen Zeit gab es genaue Regelungen für eine Hinrichtung. Danach war das Fleisch mit glühenden Zangen von den Knochen zu lösen, das Herz und die Gurgel mit glühenden Eisen zu durchstoßen.
Am 20. und 21. Januar wurden die drei Täufer verhört, sowohl ,gütlich' als auch mit Anwendung bzw. der Androhung von Folter. Am 22. Januar 1536 erfolgte auf dem Prinzipalmarkt vor dem Rathaus die Urteilsverlesung mit anschließender öffentlicher Hinrichtung.
Die grausame Prozedur soll vier Stunden gedauert haben. Danach prügelten sich die Scharfrichter um die Kleidung der Toten. Der Bischof und seine Gäste beobachteten das Geschehen aus den Fenstern des gegenüberliegenden Eckhauses.
Die zerfetzten Körper wurden in den Körben an den Haaren aufgehängt, ,dass sie allen unruhigen Geistern zur Warnung und zum Schrecken dienten, dass sie nicht Ähnliches in Zukunft versuchten oder wagten'. So lautete die Warnung des Bischofs Franz von Waldeck.
Für einen Bürger galt das Hantieren mit den Gerätschaften eines Scharfrichters als entehrend und schimpflich. Daher mussten Bauern eingesetzt werden, die die Körbe mit den aufgehängten Leichen der Täufer an der Südseite des Lamberti-Kirchturms herauf zogen. Die Leiche Jan van Leidens kam in den mittleren, etwas höher gehängten Korb.
Die Leichen wurden nie vom Turm abgenommen. Fast 50 Jahre lang waren Knochenreste in den Körben zu sehen.
Der Lamberti-Kirchturm war baufällig geworden. 1881 - fast 350 Jahre nach der Anbringung - wurden die Körbe erstmalig abgenommen. Das Eisen war mit Rost überzogen, dennoch war der Erhaltungszustand erstaunlich gut. Die Aufbewahrungsorte wechselten während der Jahre des Neubaus des Kirchturms.
In diesen Jahren wurde darüber diskutiert, ob nicht Nachbauten der Körbe, die leichter waren als die alten, am neuen Kirchturm angebracht werden sollten. Letztlich entschied man sich für die Befestigung der alten Körbe an der annähernd alten Stelle.
Dies war am 22. September 1898.
Es dauerte keine 50 Jahre, als 1927 die Körbe für Instandsetzungsarbeiten erneut herabgenommen wurden. Fehlstellen mussten ersetzt werden, dem Rost wurde zu Leibe gerückt und eine mehrschichtige Schutzfarbe aufgetragen.
Die Nachbauten wurden von Professor Landois erworben und an einer Mauer der Tuckesburg angebracht. Heute stehen die Nachbildungen im Stadtmuseum.
Nach dieser Instandsetzung waren 16 Jahre vergangen, als Bomben den Lamberti-Kirchturm stark beschädigten. Ein Korb stürzte 1944 in die Tiefe, ein anderer auf die Orgelempore. Der dritte Korb blieb rechts oberhalb der Uhr hängen.
Der herausgesprengte Eckpfeiler des Turms konnte 1948 wieder aufgemauert werden. Die stark ramponierten Körbe wurden aufgearbeitet und 1948 an alter Stelle wieder aufgehängt.
Zu den drei Lichtern aus einem Katalog:
Drei Glühlampen erinnern nun an die Seelen der drei Wiedertäufer, deren zerschundene Leichname im Jahr 1535 (tatsächlich 1536) zur Warnung und Einschüchterung der Bevölkerung in Käfigen am Lambertiturm hingen. Jeden Abend scheinen die Lichter wie aus der Vergangenheit zu uns zu leuchten.
Die obige Aufnahme habe ich vor einigen Monaten gemacht. Ich war beeindruckt und berührt, die Körbe aus nächster Nähe sehen zu dürfen.
Die Geschehnisse haben bei den Menschen bis heute einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Viele Bücher wurden geschrieben, ein Wilsberg (Drehbuch Jürgen Kehrer) mit dem Titel ,Die Wiedertäufer' wurde gesendet, ein zweiteiliger Fernsehfilm gedreht. Es gab auch einen Wiedertäuferschnaps, und eine Karnevalsgesellschaft ist nach den Wiedertäufern benannt. In den 1920er Jahren wurden Notgeldscheine mit Täufermotiven herausgegeben.
In der Gaststätte Stuhlmacher gibt es ein Wiedertäuferzimmer. Die obige Aufnahme stammt aus der Vorkriegszeit. Die kleinen Käfige hängen inzwischen im Eingangsbereich der Gaststätte.
Quellen
Karl-Heinz Kirchhoff: Die Wiedertäufer-Käfige in Münster - Aschendorff 1996
Thomas Seifert: Die Täufer zu Münster - agenda Verlag 1993
Hermann von Kerssenbroick: Geschichte der Wiedertäufer in Münster zu Westphalen - Aschendorff 1881 und 1929